Mars
«
» Ich rufe meinen Vater an und erz ä hle ihm, was Doktor Li mit Ihnen gemacht hat. Es ist nicht fair, da ß…«
Jamie brachte sie mit erhobener Hand zum Schweigen. » Sie wollen doch nicht, da ß Li und Ihr Vater Ä rger miteinander bekommen. Das w ä re schlecht f ü r alle – und erst recht f ü r Sie. «
» Aber Sie. Was ist mit Ihnen? «
Er l ä chelte gezwungen. » Die Navajos glauben, da ß ein Mensch im Gleichgewicht mit der Welt um sich herum sein mu ß . Das bedeutet manchmal, da ß man Dinge hinnehmen mu ß , die einem nicht besonders gefallen. «
» Das ist Stoizismus. «
» Ja, das ist es wohl « , sagte Jamie und gab sich alle M ü he, seine wahren Gef ü hle zu verbergen.
5
Ich wünschte wirklich, Pater DiNardo wäre hier, sagte sich Antony Reed zum zwanzigsten Mal an diesem Vormittag. Er ist der einzige, der diesen österreichischen Musterknaben in seine Schranken weisen könnte.
Reed saß an seinem Schreibtisch in dem kleinen Raum, der als Krankenrevier der Basis diente. Man hatte den Schnee vor dem einzigen Fenster des Raumes weggeschaufelt; blasses Sonnenlicht fiel herein, und durch die Dreifachscheiben zeigte sich ein milchiger, perlgrauer Himmel. Anstelle der Bücherregale und Geräteborde, mit denen die meisten Büros in der halb begrabenen Basis vollgestopft waren, enthielt das Krankenrevier einen Untersuchungstisch und medizinische Apparate.
Reed teilte sich den Raum mit dem › Haus ‹ -Arzt, einem Stabsarzt, der sich um die allt ä glichen medizinischen Bed ü rfnisse der regul ä ren Besatzung der Basis sowie der Marsrekruten k ü mmerte. Reeds Arbeit hatte mehr mit dem Computer auf dem Schreibtisch als mit Tabletten und Verb ä nden zu tun. F ü r die Mitglieder des Trainingsteams fungierte er eher als Psychologe denn als Sanit ä tsoffizier.
Der Computerbildschirm zeigte, da ß er als n ä chstes einen Termin mit Franz Hoffmann hatte. Reed verabscheute den ö sterreichischen Geologen, verabscheute alles an ihm – besonders seine angeblichen Erfolge bei den weiblichen Trainingsteilnehmern. Er fragte sich immer wieder, wie eine anst ä ndige Frau mit einiger Selbstachtung sich von diesem arroganten Neonazi anfassen lassen mochte.
Doch die Geschichten waren zweifellos wahr. Hoffmann konnte charmant sein und mit Frauen umgehen. Und Reed merkte, da ß er ihn darum beneidete.
Er beugte sich auf dem knarrenden Drehstuhl vor und lie ß die Finger ü ber die Tastatur des Computers fliegen. Er hatte Zugriff auf s ä mtliche Details der medizinischen und psychologischen Unterlagen aller Mitglieder des Trainingsteams. Vielleicht gab es bei Hoffmann etwas, mit dessen Hilfe man ihn f ü r die Mission disqualifizieren konnte.
Eifrig durchsuchte Reed Hoffmanns Dossier. Der Gedanke, mit dem Ö sterreicher neun Monate in einem engen Raumschiff verbringen zu m ü ssen, deprimierte ihn zutiefst.
Nichts. Seine Akte war makellos. Sogar eindrucksvoll. Doktortitel in Physik und Geologie. Hervorragender Gesundheitszustand. Keinerlei aktenkundige psychologische Probleme bisher; soweit es den Unterlagen zu entnehmen war, hatte er nur ein einziges Mal Kontakt zu Psychologen gehabt, n ä mlich als er die Standardtests absolviert hatte, die zu den Voraussetzungen f ü r die Teilnahme am Marsprojekt geh ö rten. Die Testergebnisse waren j ä mmerlich normal. Entweder ist er wirklich so langweilig, wie er zu sein scheint, oder er ist ein Meister darin, seine wahre Pers ö nlichkeit zu verbergen, dachte Reed.
Nat ü rlich kein Hinweis auf seine Aff ä ren. Solche Informationen gelangten selten in die Akte. Au ß er wenn es einen Vorfall gab, der so schlimm war, da ß er nicht vertuscht werden konnte.
» Ahhh! « sagte Reed mit leiser Stimme, aber vernehmlich. Ein Vorfall, der so schlimm war, da ß er nicht vertuscht werden konnte. Vielleicht lie ß sich so etwas inszenieren.
Er brauchte ein Opfer. Eine Frau, die an Hoffmanns Ann ä herungsversuchen nicht nur Ansto ß nehmen, sondern auch Stunk deswegen machen w ü rde. Und er hatte auch schon eine im Auge.
Er ging die Dateien rasch durch und fand die Frau. Ihr Hintergrund und ihr Pers ö nlichkeitsprofil waren nahezu ideal. Nach dem, was Reed aus dem pers ö nlichen Kontakt ü ber sie wu ß te, w ü rde die flegelhafte Art des Ö sterreichers sie erschrecken und emp ö ren.
» Ist einen Versuch wert « , murmelte Reed, und ein schiefes kleines L ä cheln breitete sich auf seinem h ü bschen Gesicht aus. » Ich k ö nnte mich sogar
Weitere Kostenlose Bücher