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Mars

Mars

Titel: Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Bova
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Und wenn je eine junge Frau zu einer Vaterfigur aufgeblickt hat, dann sie. «
    » Wer? «
    » Nun, Joanna Brumado nat ü rlich. Wu ß ten Sie das nicht? «
     
    6
     
    Jamie schob den Gang zum Speisesaal hinaus, bis er sicher war, daß die meisten anderen bereits gegessen hatten und in ihre jeweiligen Unterkünfte zurückgekehrt waren. Die Mitglieder der regulären McMurdo-Besatzung teilten sich die Schlafräume größtenteils mit den Forschern, die zu Besuch kamen; nur das Marsprojekt leistete es sich als einzigen Luxus, jedem Teilnehmer ein Einzelzimmer zur Verfügung zu stellen. Jamie hatte den Tag damit verbracht, mit den Neuankömmlingen zu reden, und sie und sich selbst damit in Verlegenheit gebracht. Nun wollte er mit keinem von ihnen mehr sprechen. Nicht an diesem Abend.
    Tatsächlich war der Speisesaal beinahe leer. Ihm wurde klar, daß es ein langer Tag für die Neuankömmlinge gewesen war. Der Flug von Christchurch hierher dauerte selbst bei gutem Wetter zehn Stunden. Dann auspacken, sich in dieser spartanischen, gottverlassenen Basis einrichten – die meisten Neuankömmlinge lagen bereits in ihren Betten. Nur ein paar von ihnen saßen noch an einem der langen Eßtische, hockten müde über den Resten ihres Abendessens und unterhielten sich leise. Ein halbes Dutzend reguläre Techniker und Wartungsleute der Basis saßen in der Nähe der abgenutzten alten Kaffeemaschine und spielten Karten.
    Jemand hatte eine Kassette in den Recorder oben am schneebedeckten Fenster gesteckt: ein leise klagendes altes Country-Lamento: » Mamas, don ’ t let your babies grow up to be cowboys …« M ü tter, la ß t nicht zu, da ß eure Kinder sp ä ter einmal Cowboys werden.
    Oder Wissenschaftler, sagte sich Jamie, w ä hrend er ein Tablett nahm und zur Selbstbedienungstheke hin ü berging. Er merkte, da ß er keinen Appetit hatte, und begn ü gte sich mit einem St ü ck des matschigen, aufgetauten Kuchens und einem Becher Kaffee. Dann ging er in die hinterste Ecke des Speisesaals hin ü ber und setzte sich allein ans Ende eines leeren Tisches.
    Niemand schenkte ihm irgendwelche Aufmerksamkeit. Das war Jamie durchaus recht. Er war jetzt ein Au ß enseiter, ein Paria, und alle wu ß ten es.
    Dann kam Joanna herein. Sie trug ein dunkelgr ü nes M ä nnerhemd aus S ä mischleder, das sie wie ein Zelt umh ü llte: Die Schultern hingen fast bis zu den Ellbogen herab, die Hemdsch öß e schlackerten ihr um die Knie. Sie hatte die Ä rmel hochgekrempelt, und darunter trug sie ein wei ß es T-Shirt und eine genoppte Laufhose. Bequeme Freizeitkleidung, sah Jamie. Sie wirkte jedoch nicht schlampig; leger, aber nicht ungepflegt.
    Joanna ging schnurstracks zur Kaffeemaschine und schenkte sich einen dampfenden Becher voll ein. Dann schaute sie sich in dem nahezu leeren Speisesaal um, sah Jamie und kam an seinen Tisch.
    » Ich konnte nicht einschlafen « , sagte sie und setzte sich an die Ecke des Tisches rechts neben ihm.
    Jamie nickte zum Kaffeebecher. » Das wird Ihnen dabei nicht helfen. «
    Sie lachte leise. » Oh, Koffein h ä lt mich nicht wach. Ich bin mit Kaffee gro ß gezogen worden. «
    » In Brasilien. «
    » Ja. «
    Wie zum Beweis f ü r ihre Behauptung trank Joanna einen gro ß en Schluck und stellte den Becher auf die Resopalplatte. Jamie h ä tte sich gerne verdr ü ckt, aber er wu ß te nicht wie.
    Joanna sagte: » Wie ich h ö re, sind Sie Indianer. «
    » Ein halber Navajo. «
    » In Brasilien w ü rde man Sie als Mestizen bezeichnen. Ich bin selber eine Mestizin. Mein Vater und meine Mutter sind auch beide Mestizen. In Brasilien gibt es Millionen von uns. Dutzende Millionen in Lateinamerika, von Mexiko s ü dw ä rts. «
    » Und zwei hier in der Antarktis « , sagte Jamie.
    Sie lachte wieder, ein vergn ü gter, fr ö hlicher Laut. Sie wirkte nicht mehr so angespannt wie zuvor, und ihre Stimme war kr ä ftiger. » Ja, zwei von uns sind hier. «
    Jamie erwiderte ihr L ä cheln. Sie begannen miteinander zu plaudern, locker und ruhig. Er merkte, wie er sich mit ihr zusammen entspannte.
    Sie erz ä hlte ihm von Sao Paulo und Rio, von den armen Bauern und Dorfbewohnern, die sich in einem solch rei ß enden Strom in die St ä dte ergossen hatten, da ß diese zu einer einzigen, ü ber dreihundert Kilometer langen urbanen Megacity angeschwollen waren, die sich von den Str ä nden bis zu den Bergen im Landesinneren erstreckte, funkelnde Hochhaust ü rme f ü r die Reichen, ausgedehnte, schmutzige Slums f ü r die Armen und ein

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