Mars
Praxis seines Vaters in London zu ü bernehmen, und es vorgezogen, als Fliegerarzt zum britischen Astronautenkorps zu gehen. Als die Europ ä ische Gemeinschaft in das internationale Marsprojekt einstieg, hatte Reed sich sofort beworben. Er strahlte das ruhige Selbstvertrauen eines Mannes aus, der genau wu ß te, da ß er zum Mannschaftsarzt der Marsexpediton ernannt werden w ü rde.
Jamie setzte sich zwischen den Engl ä nder und Joanna Brumado, die ihn zur Begr üß ung anl ä chelte.
» Ich wu ß te gar nicht, da ß Sie noch hierbleiben w ü rden « , sagte sie im Fl ü sterton, wie ein kleines M ä dchen, das dazu erzogen worden war, so leise wie m ö glich zu sein.
» Es war Doktor Lis Idee « , erwiderte Jamie knapp.
» Der Kommandant der Basis wird euch bei der Besprechung gleich nach dem Mittagessen alles erkl ä ren. «
»Ich möchte wissen, ob unser schlauer Chinese irgendeine Art mano a mano in petto hat«, sinnierte Reed.
Jamie hätte ihn am liebsten wütend angefunkelt, aber er beherrschte sich.
»Mano a mano?« fragte Dorothy Loring. »Wie beim Stierkampf?« Sie war eine grobknochige Blondine, die ihren dicken Sweater und ihre schwere Jeans wie eine zweite Haut trug, eine moderne, von Wikingern abstammende Walküre. Sie war auf der Farm ihrer Eltern in Manitoba aufgewachsen, hatte an der McGill University promoviert und gleich nach der Promotion am Salk Institute in La Jolla zu arbeiten begonnen.
Reed zeigte mit den Augen hin. Am anderen Ende des Tisches saß Franz Hoffmann, ganz für sich allein. Er blickte aufmerksam und mit gerunzelter Stirn auf den Bildschirm eines Computers, den er vor sich auf den Tisch gestellt hatte.
Jamie sagte nichts.
Joanna auch nicht, aber ihre Augen zeigten, da ß sie Reeds Andeutung verstand. Es waren wunderbar sanfte braune Augen, gro ß und feucht, weit auseinanderstehend wie die eines Kindes. Joanna war klein und rund und verschwand fast in einem unf ö rmigen braunen Sweater. Ihr herzf ö rmiges Gesicht wurde von einer dunklen Masse von Haaren umrahmt, die sich dicht lockten, obwohl sie kurzgeschnitten waren. F ü r Jamie sah sie mit ihrem kleinen Wuchs und diesen gro ß en braunen Augen, die bek ü mmert, ja beinahe ver ä ngstigt wirkten, wie ein heimatloses, verlorenes Kind aus.
» Unser Wiener Freund « , sagte Reed mit leiserer Stimme, » ist nicht sehr beliebt, f ü rchte ich. «
» Das sollten Sie nicht sagen « , wisperte Joanna.
» Warum nicht? « fragte Reed. » Guter Gott, der Mann hat den Charme eines preu ß ischen Zuchtmeisters. Und die entsprechenden Tischmanieren. «
Loring brach in Gekicher aus und legte dann rasch die Hand vor den Mund, um es zu ersticken. Jamie, der von seinem Platz aus Hoffmann direkt vor Augen hatte, sah, da ß der Ö sterreicher kein einziges Mal von seinem Computer aufschaute und nicht einmal durch einen raschen Seitenblick zur Kenntnis nahm, da ß au ß er ihm noch jemand im Raum war.
3
»Ich verstehe nicht«, sagte Franz Hoffmann. »Glaubt Doktor Li, daß ich einen Assistenten brauche? Einen Sherpa-Führer, der mir auch noch das Gepäck den Berg hinaufträgt?«
Jamie hielt seine aufkeimende Wut nur mit Mühe im Zaum. Da er zu dem Schluß gekommen war, daß er Hoffmann in der engen, unter Schnee begrabenen Basis unmöglich aus dem Weg gehen konnte, wollte er versuchen, aus der Not eine Tugend zu machen, indem er dem Österreicher anbot, ihm bei der Fortsetzung der Meteoritensuche draußen auf dem Gletscher zu helfen.
Hoffmann war gerade dabei gewesen, seine Kleidung auszupacken, als Jamie an die halb offenstehende T ü r seines Zimmers klopfte. Wie der Zufall es wollte, war es derselbe Raum, den Dr. Li gerade verlassen hatte. Hoffmann hatte ihn jedoch bereits in sein pers ö nliches Reich verwandelt. Eine anderthalb Meter lange Fotomosaik-Karte des Mars war an die senkrechte Wand ü ber dem Etagenbett gepinnt. An die gebogene Wand neben dem Schreibtisch hatte der Geologe ein kleineres Satellitenfoto des Markham-Gletschers geklebt, auf dem die Stellen, wo man Meteoriten gefunden hatte, bereits mit roten Kreisen markiert waren. Auf der vom Staat gestellten Kommode mit den drei Schubladen stand ein gerahmtes Farbfoto, eine pausb ä ckige junge Frau mit zwei kleinen Kindern auf den Armen, die unsicher in die Kamera l ä chelte.
» H ö ren Sie « , sagte Jamie und lehnte sich an den T ü rstock, » Li hat mich gebeten, Ihre Gruppe w ä hrend des sechsw ö chigen Aufenthalts hier zu unterst ü tzen. Wenn
Weitere Kostenlose Bücher