Marsha Mellow
die Zeitschrift in Druck geht. Ohne sein O.K. erscheint sonst am Montag ein leeres Blatt.«
In diesem Augenblick steht die Ärztin auf und streift ihre Handschuhe ab.
»Danke«, sagt Ant aufrichtig. »Sie müssen ja einen seltsamen Eindruck von uns haben.«
»Ach was, das ist doch relativ normal«, erwidert sie gelassen. »Als Nächstes muss ich mich um einen Transvestiten kümmern, dem ein künstlicher Fingernagel abgebrochen ist. Sie wollen bestimmt nicht wissen, wo er ihn verloren hat...«
Lisa, Ant und ich hocken draußen vor der Notaufnahme, wo ich eine Zigarette rauche.
»Wisst ihr, ich halte das Rauchverbot in Krankenhäusern für ziemlich unvernünftig«, meint Lisa.
»Wie kommst du denn darauf?«, fragt Ant.
»Nun ja, hier sind doch nur Kranke. Da kann ein wenig Passivrauchen keinen großen Schaden mehr anrichten, oder? ... Amy, ich wollte dich noch was fragen. Was sollte denn der Mist mit der Blumenausstellung in Chelsea?«
Daraufhin muss Ant lachen, und ich würde es ihr auch gern erklären, aber mich beschäftigt eine dringendere Frage.
»Später«, vertröste ich sie. »Warum hast du das getan, Lisa?«
»Nun ja, irgendeiner musste ja schließlich mit der verdammten Sprache herausrücken - sonst würden wir jetzt noch da sitzen«, entgegnet sie.
»Sag doch mal bitte, ernsthaft.«
»Ich konnte nicht mehr länger mit ansehen, wie du dich quälst«, erklärt sie. »Außerdem hatte ich ein richtig schlechtes Gewissen. Die letzten Tage müssen für dich wie ein Albtraum gewesen sein, und ich hatte nichts anderes im Sinn, als mir wegen Dan Sorgen zu machen.«
»Oh Gott, Dan«, keuche ich erschrocken. Ich wusste, da war noch was, was wir bereden wollten, etwas, das weder mit schwulen Priestern noch mit pornografischen Büchern zu tun hat. »Was ist los? Du bist doch nicht etwa schwanger, oder doch?«
»Manchmal hörst du dich genauso an wie Mum. Nein, ich bin nicht schwanger. Er hat mir einen Heiratsantrag gemacht.«
»Lisa, das ist ja fantastisch ...« Ich bemerke, dass sie das Gesicht verzieht. »... Oder etwa nicht?«
»Nun ja, er ist der Erste, der mich fragt«, sagt sie zögernd. »Und der Verlobungsring ist so riesig, dass ein Gaul daran ersticken würde ... Aber nichtsdestotrotz ist er ein Tory.«
»Damit findest du dich doch schon seit zwei Jahren ab. Du musst dich endlich von dem Gedanken befreien, dass es schlimm wäre, wenn Mum ihn sympathisch fände. Momentan wäre das wenigstens ein Strohhalm, an den sie sich klammern könnte. Du solltest uns allen einen Gefallen tun und Ja sagen.«
»Ich habe aber bereits Nein gesagt«, flüstert sie.
»Das hast du nicht...«
Ich schaue ihr ins Gesicht, in die traurigen Augen.
»Dann ist es also aus?«, frage ich.
»Er ist heute Morgen nach Hongkong geflogen, also schätze ich ja«, entgegnet sie niedergeschlagen.
»Oh nein, das tut mir furchtbar Leid, Lisa.«
»Ich werde darüber hinwegkommen«, sagt sie tapfer. »Ich habe bereits ... sozusagen ... einen anderen kennen gelernt.«
»Lisa!«
»Zurzeit ist er gerade in Goa. Er ist umwerfend. Ich kann es gar nicht erwarten, ihn dir vorzustellen.«
»Sag nichts«, bemerkt Ant. »Er ist ein international gesuchter Waffenschmuggler.«
»Wie kannst du so etwas sagen?«, gibt Lisa erbost zurück. »Er zahlt anständig seine Steuern. Er hat nämlich sein eigenes Geschäft.«
»Und was macht er?«, frage ich.
»Er hat ein Striplokal in Bethnal Green.«
Puh. Nach der fürchterlichen Vorstellung, dass sie demnächst mit einem Tory durchbrennt, ist es geradezu eine Freude, dass ihr Leben jetzt wieder normal verläuft.
Nach einem Moment des Schweigens sage ich: »Trotzdem hast du mir meine Frage nicht beantwortet. Warum hast du den Kopf für mich hingehalten?«
»Ich hatte zum einen ein schlechtes Gewissen, weil ich nichts anderes als Dan im Kopf hatte. Du hast mir immer vorgeworfen, dass ich an dem ganzen Schlamassel schuld bin, und du hast Recht, das bin ich auch. Es schien mir bloß fair, dich da wieder herauszuholen.«
»Das hättest du nicht tun müssen, weißt du«, sage ich.
»Ist mir klar, aber ich bin eben barmherzig. Außerdem war ich schon immer das schwarze Schaf der Familie. So kann Mum ein weiteres Vergehen zu meinem Sündenregister hinzufügen und fest daran glauben, dass sie ja immer noch eine Tochter hat, die ihr eines Tages im Himmel Gesellschaft leisten wird.«
»Ja, aber was sollen wir jetzt tun, verflucht?«
Sie kommt nicht dazu, mir zu antworten, da Dad in diesem Moment
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