Martha im Gepaeck
einem Backofen, irgendwie viel heißer als in Glen Manor oder auf dem Weg hierher. Sogar heißer als noch da vorn vor dem Steinkreis. Seltsam. Und sie war unheimlich durstig, so durstig, dass sie auch lauwarmes Wasser und pinkelwarmen Wein trinken würde. Sie streckte schon die Hand aus, da hörte sie es. Das Plätschern eines Flusses, ganz in der Nähe. »Hörst du das?«
Bernd lauschte kurz und nickte dann. »Der River Spey. Gleich da vorn irgendwo.«
Das Rauschen klang so verlockend. »Wollen wir runter zum Fluss gehen?«, fragte Karen. »Dort können wir unsere Füße und den Wein kühlen.«
»Ich bin dabei«, sagte Bernd. »Magisch oder nicht, hier ist es wirklich viel zu heiß.«
Am Flussufer war es angenehm kühl. Geradezu idyllisch. Ein sonniges Fleckchen inmitten grüner Büsche, an dem das Wasser träge und glitzernd vorbeizog. Etwa 20 Meter entfernt befand sich ein kleiner Steg. Auch hier war es menschenleer und vollkommen still, aber auf eine andere Weise. Einladender. Romantischer.
»Wollen wir hier reinwaten?«, fragte Bernd. »Oder möchtest du auf den Steg? Dann musst du nicht über die glitschigen Steine ins Wasser steigen?«
»Lieber hier.« Das Wasser sah so erfrischend aus. Und Karen wollte nichts mehr, als dieses klebrige T-Shirt loswerden. Sie sah sich kurz um. Sollte sie? Ach klar. »Und nicht nur mit den Füßen.« Rasch zog sie ihr T-Shirt über den Kopf und schlüpfte aus den Shorts. Sie kickte ihre Flip-Flops von den Füßen und stand in Unterwäsche vor Bernd.
In seinem Gesicht zeigte sich ein überraschtes Grinsen. »Du gehst ganz rein?«
»Klar. Kommst du mit?«
Bernd sah kurz nach links und nach rechts und fing dann an, seine Shorts aufzuknöpfen.
»Ich wette, du traust dich nicht hinein«, neckte Karen ihn, dann zog sie sich in Windeseile auch noch den Rest aus und lief zum Wasser. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal nackt vor Bernd herumstolziert war, ja, wann sie überhaupt das letzte Mal nackt irgendwo herumgelaufen war.
»Ich trau mich nicht hinein? Du wirst schon sehen.« Sie konnte Bernds Füße hinter sich durchs Gras stapfen hören, und als er fast bei ihr war, rannte sie in das eiskalte Flusswasser hinein, ohne groß nachzudenken oder innezuhalten, auch wenn es ihr fast den Atem raubte.
»Erster!«, schrie sie übermütig. Sie tauchte unter und gleich wieder auf. Bernd sprang geradewegs hinterher. Wasser spritzte auf, und Karen quietschte. Es war eisig und herrlich. Bernd tauchte prustend vor ihr auf, aber als sie nach ihm greifen wollte, spürte sie plötzlich, wie etwas sie wegriss. Wasser schwappte ihr in den offenen Mund und nahm ihr den Atem. Sie spuckte, streckte wieder die Hand aus, aber etwas zog sie immer weiter von Bernd weg. Sie versuchte, dagegen anzuschwimmen, doch sie kam keinen Zentimeter vorwärts, glitt immer weiter und immer schneller davon. »Bernd«, rief sie. »Ich komme nicht aus der Strömung raus!«
Er sah sie erschrocken an. Offenbar hatte er bislang angenommen, dass sie sich aus Vergnügen im Wasser hin und her warf. »Halt dich fest!«, rief er.
Karen strampelte, versuchte, einen Ast zu fassen, aber es ging alles so schnell, er war im Nu wieder außerhalb ihrer Reichweite. Und dann sah sie den großen Steinbrocken mitten im Fluss. Sie trieb geradewegs auf ihn zu. Verzweifelt steuerte sie nach links, aber das Wasser holte sie immer wieder zurück. Sie würde mit voller Wucht auf den Stein prallen.
»Bernd!«, schrie sie jetzt voller Panik und hielt ihren Arm vors Gesicht, um wenigstens dieses zu schützen. Da fühlte sie Bernds Hand an ihrem Knöchel. Dann seine andere Hand, die nach ihrem Arm griff und sie mit einem Ruck zur Seite zog, raus aus dem Strudel. Hier war das Wasser wieder ruhiger, aber sie klammerte sich dennoch verschreckt an ihn.
»Bist du okay?« Bernd spuckte prustend Wasser aus.
Sie nickte, noch ganz benommen. »Danke«, brachte sie schließlich heraus.
»Verdammt gefährliche Ecke«, sagte Bernd. Er zog sie mit sich Richtung Ufer, ins hüfthohe Wasser. »Komm. Nimm meine Hand, damit du auf den nassen Steinen nicht noch ausrutschst.«
Auf wackeligen Beinen lief Karen zu ihrer Decke und ließ sich erschöpft darauffallen. Sie schnappte immer noch nach Luft.
Bernd setzte sich neben sie. »Das sieht man dem Fluss gar nicht an.«
Karen zitterte ein wenig. Der Schock des kalten Wassers wirkte nach der Hitze des Steinkreises doppelt. »Jetzt hast du mich gerettet«, sagte sie. Es war das Erste,
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