Martha im Gepaeck
rechtskräftig.«
»Und ob ich will«, sagte Bernd. Er strahlte Karen an, als habe sie ihm gerade einen zweiten Heiratsantrag gemacht. »Und ob.«
»Dauert das noch lange mit dem Essen?«, meldete sich die alte Mrs Warnock erneut. Sie hielt ihre Gabel kerzengerade in der Hand. »Ich will ja nicht unhöflich sein, aber ich gehe bald wieder ins Bett. Und bei meiner Tochter muss man immer aufpassen, dass sie die Sachen nicht zerkocht.«
»Also, Mutter, wirklich. Du bist unmöglich.« Mrs Warnock steckte ihr Taschentuch weg, schniefte noch einmal und stand auf. »Der erste Gang kommt in fünf Minuten«, verkündete sie feierlich.
»Prost«, sagte John MacGregor.
» Slàinte «, erwiderte Bernd.
»Wie?«, fragte Karen.
»Das heißt Prost auf Schottisch, Mum.« Mark verdrehte die Augen.
»Schreibst du trotzdem noch den Reiseführer?«, fragte Karen. Sie saß neben Bernd auf einer Steinbank und lehnte sich an ihn. Vor ihnen erstreckte sich die Wiese vor dem Haus, so dass sie einen grandiosen Blick auf Glen Manor hatten. Das letzte Tageslicht begann zu verschwinden. Ein Frosch quakte vom See herüber. Das Gewitter verzögerte sich, die feuchtwarme Luft wurde von Minute zu Minute drückender. Karen hatte das Gefühl, warmes Wasser einzuatmen.
»Na klar. Jetzt erst recht. Vielleicht werde ich ihn ein bisschen anders strukturieren. Vielleicht nehme ich auch Glen Manor und seine Geschichte mit rein. Oder Glen Manor und den Glenlochlin Whisky. Oder …«
»Glen Manor und seine Bewohner?« Karen schlang ihren Arm um seinen Rücken und zog ihn näher an sich heran.
Er wandte sich ihr zu. »Vielleicht. Vielleicht so etwas wie: Die großartigen Frauen von Glen Manor.« Er grinste. Dann wurde er wieder ernst. »Aber es gibt ’ne Menge zu tun. Die Mauern müssen neu verputzt …«
»He«, machte Karen. »Du hast noch Urlaub. Schon vergessen?«
»So wie es aussieht, werde ich meinen Urlaub ohnehin verlängern müssen.«
»Oder einfach hierbleiben.« Karen sah verträumt in die Dunkelheit hinaus. Vom See her erklangen platschende Badegeräusche. Jemand lachte.
»Mark hat sicher nichts dagegen, nach Schottland zu ziehen.« Bernd nickte mit dem Kopf in Richtung See. »Hör doch mal.« Jetzt quiekte jemand.
»Meinst du, die haben was an? Badesachen, meine ich? Immerhin sind die beiden keine kleinen Kinder mehr.«
»Und wenn schon.« Bernd winkte ab. »Denk mal an uns früher. Wir waren auch keine Kinder von Traurigkeit. Sind wir schließlich immer noch nicht.« Er zwickte sie leicht in den Arm.
»Er ist erst vierzehn.«
»Lindsey wird ihn schon nicht auffressen. Willst du etwa hingehen und nachsehen? Damit machst du dich aber sehr beliebt.«
»Auffressen nicht, aber …« Sie seufzte. »Na gut. Glen Manor ist offenbar ein Ort zum Verlieben. Das steckt an.« Ihr fiel etwas ein. »Eigentlich wollte ich was mit Martha besprechen, aber das war ja alles noch, bevor sie das Testament geändert haben. Also, genau genommen, muss ich sie nicht mehr um Erlaubnis fragen … Ich hatte die Idee, aus Glen Manor ein romantisches kleines Hotel zu machen. Reisen für Verliebte, Hochzeitsreisen, Dinner bei Kerzenschein am Kamin. Alles ganz idyllisch.« Sie lachte leise. »Wenn wir noch Wellness anbieten, könnte es sogar passieren, dass Bettina mit ihrem Neuen hier auftaucht.«
»Schon wieder ein Neuer? Wer denn?«
Karen zögerte für den Bruchteil einer Sekunde. »Kennst du nicht.« Sie strich Bernd sanft über die Haare.
»Meinst du, dass Glen Manor uns auch anstecken wird?«, fragte Bernd leise. Er sah sie dabei nicht an.
»Hm? Anstecken?« Dann begriff sie. »Hat es doch schon«, antwortete sie ebenso leise.
Er hielt ihre Hand und drückte sie. Vom See her erklang wieder ein kurzes Quieken.
»Mann, die zwei«, sagte Karen. Dann stutzte sie. »Bernd?«
»Ja?«
»Guck mal da, vor dem Haus. Das ist doch …«
»Mark«, bestätigte Bernd. »Und Lindsey.« Gemeinsam blickten sie zu den beiden Teenagern, die einen großen Kasten trugen.
»Das ist irgendeine Spezialkamera, die hat sie heute mitgebracht«, erinnerte sich Bernd. »Wegen dem Geist, du weißt schon.«
»Aber«, sagte Karen tonlos, »wenn Lindsey und Mark vorm Haus stehen, wer badet dann im See?«
Sie sahen sich an.
»Du meinst …« Bernd riss die Augen auf.
Karen spitzte die Ohren. Ein Lachen ertönte. Eindeutig ein Männerlachen. Eindeutig ein Mann, kein Junge, auch wenn Marks Stimme zugegebenermaßen manchmal schon ziemlich tief klang. Und eine
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