Martha im Gepaeck
unten.
Ein Winseln erklang, dann schob sich der zottelige schwarze Kopf des Hundes aus dem Treppenloch heraus wie der Hüter der Unterwelt.
»Deshalb lade ich mir die Destillerie auf«, sagte John in die einsetzende Stille hinein. »Um die ganzen Löcher hier stopfen zu können.«
26 Bernd untersuchte das Loch. »Die ganze Stufe ist morsch, seht ihr? Aber ich kann da von hinten was dagegensetzen. Das lässt sich reparieren, kein Problem.«
»Du kannst so etwas?« John schien überrascht. Er wirkte nachdenklich und erleichtert zugleich.
»Natürlich. Ich arbeite doch auf dem Bau.«
»Das ist ja gut zu wissen.«
Karen beugte sich vor, um zu sehen, wie tief das Loch war, aber sie konnte nichts erkennen, denn erstens versperrte John ihr die Sicht, zweitens musste sie Teresa beruhigen und drittens klopfte just in diesem Moment jemand an die Tür. Als keiner Anstalten machte, sich dorthin zu begeben, öffnete Karen.
»Good afternoon.« Ein ernster Mann mit Stirnglatze und dunklem Anzug stand draußen. Er trug eine Aktenmappe in der linken Hand, streckte Karen die rechte entgegen und blickte sie verdrießlich an. War etwa noch jemand gestorben?
»Ja, bitte?«, fragte sie höflich.
»George Gilford. Ich bin wegen der deutschen Dame hier«, erklärte der Mann. Er trat vorsichtig ein Stück zur Seite, als Angus wie ein wildes Shetlandpony an ihm vorbeipreschte, gefolgt von Mark und Teresa. Sie durften mit Mrs Warnock in die Stadt fahren, um dort Lindsey zu treffen.
»Und was wollen Sie von mir?« Karen musterte den Mann irritiert.
»Er meint mich.« Martha nickte dem Fremden freundlich zu, was keinerlei Einfluss auf dessen säuerliche Miene hatte.
»Wer ist das?«, wollte Karen auf Deutsch wissen, aber Martha tätschelte ihr nur beruhigend den Arm. »Das braucht dich nicht zu interessieren.«
»Es interessiert mich aber. Genauso wie es mich interessiert, warum du nach dem Grab von Cullen MacGregor gefragt hast.«
»Was du nicht alles wissen willst.« Martha schüttelte bedauernd den Kopf. »Du wirst es schon noch erfahren.«
»Wann?«
»Zur rechten Zeit.«
»Ich … wir wollen nachher mal in Ruhe mit dir reden, Martha. Irgendwas verschweigst du uns doch. Warum nur immer diese Geheimniskrämerei? Jetzt sind wir in Glen Manor. Hierher wolltest du, um John wiederzusehen, das verstehe ich. Aber was ist mit seinem Bruder?«
Marthas Finger umklammerten den Holzrahmen der Tür. Der Mann hatte ihr leises deutsches Gespräch ohne jegliche Gemütsregung verfolgt und hielt ihnen immer noch seine Hand wie einen Staffelstab entgegen. Martha erbarmte sich und schüttelte sie kurz.
»Wenn du mich nicht mit diesem charmanten Mann reden lässt, wirst du es nie erfahren«, sagte sie leise zu Karen.
»Heißt das, du wirst es mir später erzählen?«, drängte Karen, aber Martha antwortete nicht. Sie geleitete den Mann durch das Chaos im Treppenhaus und nickte John kurz zu, der daraufhin alles stehen und liegen ließ und ihr folgte.
Karen fühlte sich wie bestellt und nicht abgeholt. Charmanter Mann, sehr witzig. Vielleicht, wenn man auf den Charme magenkranker Buchhalter stand.
Der Klingelton ihres Handys schrillte so unerwartet, dass sie zusammenzuckte. Wenn Mike sie jetzt schon wieder anrief, würde sie ihr Handy in den Höllenschlund der Treppe werfen. Mit zusammengepressten Lippen zog sie es aus der Hosentasche.
Es war Bettina. Sie klang nicht ganz so munter wie sonst. Sie wollte Dampf ablassen. »Ich sag’s dir, am liebsten würde ich sofort wieder wegfahren. Kaum bin ich aus meinem Kurzurlaub zurück, scheucht mich der Albrecht wie ein Sklavenhalter herum. Es macht im Moment überhaupt keinen Spaß auf der Arbeit.«
»Im Moment?«, witzelte Karen. »Du bist lustig. Erinnere mich bitte nicht daran. Die Bank ist gerade so schön weit weg. Du glaubst nicht, was uns hier alles passiert ist.«
»Was denn?«, fragte Bettina. Sie klang nur mäßig interessiert. »Raul hat sich auch nicht mehr blicken lassen. Der Blödmann. Garantiert hat er was mit einer seiner Klientinnen.«
Karen ging nicht darauf ein. Es war ohnehin nichts Neues. »Bettina, erinnerst du dich noch an meine alte Tante Martha? Du hast sie, glaube ich, mal getroffen, als ich mit ihr einkaufen war.«
»Die kleine alte Frau im lila Wollkleid, die im Edeka so einen blöden Typen zusammengestaucht hat, weil er sich an der Kasse vorgedrängelt hatte?«
»Genau die.« Karen erinnerte sich wieder an den pickligen jungen Mann, der sich in der Schlange
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