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Martha's Kinder

Martha's Kinder

Titel: Martha's Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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eine so starke Persönlichkeit ist, daß die Umgebung gezwungen wird, sich ihr anzupassen und nicht umgekehrt –«
    Die Spieler hatten ihre Partie beendet. Rudolf trat auf die Gruppe zu:
    »Wovon sprachen Sie so emsig, meine Herren?«
    »Von Ihnen und Ihrer Reichsrats-Kandidatur –«
    »Da haben Sie wohl nicht viel Gutes gesagt, denn – mit Ausnahme Doktor Bressers vielleicht – stehen Sie alle auf ganz anderem politischen Standpunkt, als ich –«
    »Die Nuancen mögen allerdings verschieden sein,« sagte der Minister, »aber in der Grundfarbe, da sind doch ziemlich alle anständigen Leute übereinstimmend: verfassungstreu, kaisertreu, vaterlandstreu ...«
    »Treu, treu ...«, wiederholte Rudolf kopfschüttelnd. »Diese schöne Eigenschaft ist wohl dem Bestehenden gegenüber – wofern es gut ist – sehr angebracht. Was soll aber derjenige sein, der dem Werdenden dienen will?«
    Bresser antwortete:
    »Der muß kühn sein.«
    »Ja,« sagte Rudolf, »und doch auch treu. Sich selber treu.«
    Sylvia und Delnitzky gingen nebeneinander in einer der Parkalleen auf und nieder; den anderen in Sicht, aber außer Gehörweite.
    In den sechs Wochen, die seit der Verlobung verstrichen waren, hatte das junge Mädchen sehr verschiedene Stimmungen durchgemacht. Der taumelnde Glücksrausch jenes Abends, an dem sie den ersten Kuß und ihr Jawort gegeben, hatte sich nicht wiederholt, – nur erinnern konnte sie sich an das, was sie damals empfunden, ohne es jedoch wieder zu empfinden. Es kann eben keine zwei ersten Küsse geben, und keine zwei Augenblicke, in welchen man einen bestimmten, lebensentscheidenden Entschluß faßt. Es war ihr sogar manchmal geschehen, daß ihr Liebensgefühl erlahmte. Auch ihr war, wie ihrer Mutter, manches, was Delnitzky sagte oder wie er es sagte, an die Nerven gegangen. Aber das dauerte nicht länger als eine Minute, die nächste Minute brachte ihr wieder das Bewußtsein, daß sie eine liebende, glückliche Braut sei.
    Einige Schritte waren sie schweigend einhergegangen. Delnitzky sprach zuerst:
    »Wie schön, wie schön Du bist!« Das »Du« war nur dem Tete-a-tete vorbehalten. Unter Leuten sagten sich die Verlobten »Sie«. Und gerade das machte aus dem Du eine Art Liebkosung. »So gefällst Du mir noch viel besser als im Sommerkleid – und beim Ballspiel finde ich Dich noch graziöser als beim Tanzen.«
    In ihrem fußfreien weißen Piquékleidchen mit Ledergürtel um die geschmeidige, nicht zu dünne Taille; mit den absatzlosen, gelben Schuhen an den schmalen Füßen; mit dem einfachen Matrosenhut auf dem kastanienbraunen Haar, das in einer festen Flechte auf den Hinterkopf gesteckt war und auf welches die Sonne bronzefarbene Lichter setzte – bot Sylvia in der Tat ein frisches, liebreizendes Bild. Das jugendliche Gesichtchen mit dem feinen Profil war wie in Glanz getaucht; rosige Glut auf den Wangen, dunkelrote Glut auf den Lippen, schwarzes Funkeln in den Augen, weißblitzendes Lächeln; wohl konnte der beglückte Bräutigam in den Ruf ausbrechen: »Wie schön Du bist!«
    »Findest Du? Und ist Dir mein Hübschsein das Liebste an mir?«
    »Alles ist mir lieb an Dir ... Bist ein Kreuzmädel ... voll Rasse – ohne Faxen...«
    Über Sylvias Gesicht huschte eine Wolke. Das war wieder eine jener Äußerungen, die sie ärgerlich berührten. Sie blieb stumm. Delnitzky fuhr fort:
    »Mir ist nichts zuwidrer als affektierte oder kokette Manieren oder gar Blaustrumpf-Fexereien. Du bist einfach, natürlich ... zwar auch mörderisch g'scheit – kehrst es aber nicht protzig heraus ... Vor Deinem G'scheitsein habe ich mich anfänglich ein bissel g'fürchtet ... Du hast so den Ruf, daß Du allerlei ernste Sachen studierst und mit Deiner Mama und dem Rudi stundenlang gelehrte Bücher liest. Aber 's war nicht so schlimm ... ich hab' Dich nie 'was Pedantisches reden g'hört.«
    »Bis jetzt, mein lieber Toni, haben mir eigentlich nur im Ballsaal verkehrt, da konnte ich natürlich keine »pedantischen« Unterhaltungen einleiten ... und seit wir verlobt sind, sprechen wir fast immer von unserer Liebe – auch dieses Thema läßt nichts pedantisches zu ... Aber Du mußt Dich doch darauf gefaßt machen, daß ich in der Tat darauf rechne, wenn wir einmal verheiratet sind –«
    Über Schoppenhauer und Nietzsche oder gar über die Geschichte der Konzilien mit mir zu konversieren? Da danke ich –«
    »Die beiden Denker, die Du meinst, so tief und wunderbar ihre Sprache ist, gehören nicht zu meinen Lieblingen –«

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