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Martha's Kinder

Martha's Kinder

Titel: Martha's Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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dieses Kopfweh ward ihr zum Vorwand, sich ohne Verzug zurückzuziehen.
    In ihrem Zimmer angelangt, war ihr erstes, die Fenster aufzureißen. Vorsichtshalber war von der Dienerschaft, als das Gewitter losging, alles verschlossen worden, aber jetzt war das Unwetter vorbei und Sylvia lechzte nach Luft. Die Sonne war schon untergegangen, aber noch war es Tag. Abgekühlt, regenfeucht, schwer duftend strömte die Luft herein. Von den Bäumen und Büschen tropfte es noch herab; am Horizont, bald hier, bald dort, flammte es wetterleuchtend auf – ein förmliches Lichtgeknatter ...
    Sylvia lieh sich ein paar Minuten von den fächelnden Lüften die heiße Stirne kühlen, dann ging sie zur Tür und schob den Riegel vor. Es wäre ihr unangenehm gewesen, wenn jetzt ihre Mutter hereingekommen wäre. Wollte sie vielleicht nachsehen und fände die Tür verschlossen, so werde sie in der Idee, Sylvia schlafe, wieder fortgehen.
    Das junge Mädchen warf sich in die Chaiselongue und schloß die Augen: Also jetzt: die Beichte – –
    ... Ich bin schuldig ... Flatterhaft – und – – wie soll ich's nur nennen? wie? einfach beim Namen, im Beichtstuhl lügt man nicht – beschönigt man nicht: – sinnlich bin ich. Meine Liebe zu Toni, die ja erst unter seinem ersten Kuß so mächtig aufgeflammt – ist es überhaupt Liebe? Eigentlich nein, da er mir jetzt so oft mißfällt – da so vieles, was er mir sagt, mich wie mit einem kalten Wasserstrahl berührt ... Und dasselbe, was ich – bei jenem ersten Kuß – in Tonis Armen empfand, es hat mich heute – und noch viel heftiger – durchzuckt, als Hugo Bresser – – Hugo liebt mich ... das habe ich deutlich gefühlt ... Er hat es ja auch gesagt: der Augenblick, der ihn zum Gott gemacht – den hat er erst heute erlebt ... Das war der Augenblick, in dem er mich – die nicht Widerstrebende! – ans Herz gedrückt ... Ich habe ihm zugetrunken ... sagte ich damit nicht: »Ich verstehe Dich?« Was wird er jetzt hoffen dürfen und was werde ich fürchten müssen? ...
    Es wurde an der Türklinke gerüttelt.
    »Ich bin's, mein Kind ... hast Du Dich niedergelegt?«
    Sylvia schwankte. Sollte sie der Mutter öffnen? Sollte sie dieser bewährten Freundin gestehen, was in ihrem Innern vorging? Ach, wußte sie es denn selber? ... Nein – zuvor mußte sie mit sich ins Klare kommen.
    Sie gab keine Antwort und Martha, entfernte sich wieder.
    Jetzt schloß Sylvia das Fenster, ließ die Vorhänge herab und machte Licht. Sie setzte sich an ihren Schreibtisch und nahm die darauf stehende Photographie Delnitzkys in die Hand.
    Lange betrachtete sie das Bild. Dabei stiegen ihr Erinnerungen an die zärtlichkeits- und glücksvollen Gefühle auf, die sie noch vor Kurzem bei Anblick dieser Züge erfüllten ... das ist doch Liebe – –
    Gleich darauf aber regte sich der Zweifel:
    ... Ist denn aber auch eine solche Liebe, wie ich sie jetzt durchschaut habe, meiner wert? ... und ist nicht sogar diese im Schwinden begriffen, da ein anderer imstande war, einen Augenblick in mir gleiche Regungen zu wecken? ... Und da ich erkannte, wie dieser andere in seinem Denken und Fühlen über den Verlobten hinausragte? Welcher Schwung in Hugo Bressers Worten, und Toni nannte das »geschwollenes Zeug«. Nun ja, im Grunde ... es klang etwas exaltiert – und wer weiß, ob es aufrichtig war – ob es nicht galt, mich zu faszinieren – eine Art gesprochene Fortsetzung der kühnen Umarmung im Garten? ... Vielleicht war auch nur das Gewitter daran schuld, daß ich in jenem Augenblick wie unter einem elektrischen Schlag erbebte ... ich liebe ja diesen Herrn Bresser nicht – mein Herz hab' ich dem Tom geschenkt ... Mein Herz ? Oder ist's – –? Gleichviel: ich bin ja, wie jedes junge Menschenkind, ein Ding von Seele und Leib – mit warmem Blut ... Aber die Ehe – mein Gott, die Ehe... dieses lebenslängliche Einssein ... wenn da die Seele zu kurz kommt? ... Und da hilft kein Leugnen: in der letzten Zeit haben hundert Dinge, die ich an Toni entdeckt oder die ich an ihm vermißt habe, meine Liebe momentan wie ausgelöscht – freilich entbrannte sie dann von neuem ... Wenn aber die Augenblicke des Verlöschens immer häufiger und immer länger werden? ... Noch wäre es Zeit, zurückzutreten – –
    Jetzt malte sie sich diese Alternative aus: die abgebrochene Verlobung. War das nicht Pflicht, wenn auch schmerzliche Pflicht – denn der Gedanke tat ihr weh ... Doch, war sie es nicht ihrer und auch seiner Zukunft schuldig, einen

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