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Martha's Kinder

Martha's Kinder

Titel: Martha's Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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geküßt. Der erste Liebeskuß in ihrem Leben. Jetzt saß sie da und suchte sich dieses Erlebnis, dieses Ereignis wieder zu vergegenwärtigen. Sie war erschüttert, bereichert – verändert mit einem Wort, nicht mehr dieselbe Sylvia, die sie vor einigen Stunden gewesen.
    Die Tür ging auf.
    »Im Finstern, mein Kind?« Und Martha drückte an den elektrisches Knopf. Ein mattes rosa Licht fiel nun durch die gläserne Deckenampel in den Raum und zeigte die weiß lackierten Möbel, die blumengemusterten Stoffe und Tapeten des frischen, einfachen Mädchenzimmers.
    Sylvia sprang auf.
    »Habe ich Dich erschreckt?«
    »O nein, Mama ... Gut, daß Du kommst ... ich, wäre ohnehin später zu Dir hinüber ... Bitte, setz Dich hierher auf das Sofa ... und laß mich ... so, auf diesem Schemel...« Und Sylvia ließ sich zu ihrer Mutter Füßen nieder und legte den Kopf auf deren Schoß.
    Martha strich liebkosend über des jungen Mädchens Scheitel:
    »Das ist ja unsere Märchenerzähl-Stellung,« sagte sie lächelnd, »nur sind die Rollen getauscht: jetzt mußt Du mir erzählen. Wie ist das gekommen? ... Morgen will Delnitzky um Deine Hand bei mir anhalten ... Werde ich – werden wir ja sagen? Bist Du mit Dir im Reinen?«
    »Glücklich bin ich, glücklich ...«
    »Die Frage ist, ob Du glücklich wirst ... Auf die Dauer, meine ich ... für ein Leben ... Paßt Ihr auch für einander? ... Kennst Du ihn als einen Mann, zu dem Du vertrauensvoll aufblicken kannst, von dessen Verstand, dessen Güte, dessen Übereinstimmung mit Deinem Wesen Du überzeugt bist? ...«
    »Das sagte ich ihm vor ein paar Stunden selber: »Wir kennen uns nicht.« So wie Du, Mama, empfand auch ich halbe Zweifel ... aber jetzt ist das verscheucht ... Liebe kann nicht so täuschen – und ist Liebe nicht schon an und für sich Gewähr für Glück? Ob fürs ganze Leben ... wer wird gleich so viel verlangen? Ist es nicht schon Erfüllung genug, daß man diese goldene Frucht – das Glück – überhaupt pflücken und die Seele damit laben darf? ... Erinnerst Du Dich, Mama – Du hast mir nicht nur Märchen, Du hast mir auch Geschichten aus Deinem Leben erzählt – erinnerst Du Dich, wie Du Deine Ehe mit Rudolfs Vater eingegangen? Ein Kotillon auf einem Kasinoball – und sein und Dein Schicksal war besiegelt. Warst Du nicht glücklich mit ihm? ... Freilich auch nicht fürs Leben – denn nach einem kurzen Jahr ist er Dir, entrissen worden ... aber war dieses Jahr nicht schön?«
    »Mein Kind, das ist etwas anderes... ich war damals so jung, so unausgewachsen an Vernunft und Charakter – während Du, Sylvia –«
    »Ich bin doch auch jung –«
    »Doch schon zweiundzwanzig ... Ich war damals siebzehn Jahre alt. Aber nicht die Jahre machen es – Du bist ein ernstes Mädchen, ein selbständig denkendes Weib – Du stellst große Ansprüche an die Menschen –«
    »Ja, dasselbe habe ich heute meinem Bräutigam gesagt ... dieselben Zweifel ausgedrückt ...«
    »Siehst Du?«
    »Ausgedrückt habe ich sie, aber ich empfinde sie nicht – wenigstens jetzt nicht. Das Glück, das mich erfüllt, ist stärker als alles – alles andere – ich begreife es ja nicht...«
    »Du hast schon so viele Körbe gegeben und unter Deinen abgewiesenen Freiern waren solche, die ich höher einschätze als Delnitzky, Du aber konntest nicht genug zu erwägen, zu tadeln finden. Der war nicht genug universell gebildet, der nicht hochherzig genug – dem mangelte es an funkelndem Geist, dem an edler Milde – kurz, man hätte glauben sollen, Du wolltest Deine Zukunft nur einem Ideal von Vollkommenheit anvertrauen, und jetzt –«
    »Und jetzt habe ich das Gefühl, daß es auf der ganzen Welt keinen anderen Menschen gibt, dem ich angehören könnte, als Delnitzky. Märchen sollte ich Dir erzählen, Mama? Da hast Du eins? Ein lichtes Wunder, ganz losgelöst von allem vernünftigen »Warum?« und »Wozu«. Es hat keine Erklärung und braucht keine. Ich bin so glücklich und mir ist, als wäre alles verzaubert, und ich selber bin eine andere, als die ich war. Was ich früher gedacht, überlegt, erwogen – das ist alles zerflattert, zerstoben, etwas Neues umgibt, durchdringt mich, hebt mich empor –«
    »Kind, Kind – Du sprichst wie im Rausch –«
    »Ja, Mama. Aber nicht der Champagner ist mir zu Kopf gestiegen – ich weiß jetzt, was das Wort Glücksrausch bedeutet.«
    »Du bist mir aber noch die Erzählung schuldig. Wie ist es gekommen?«
    »Auf dem Wege von der Kirche hat er sich

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