Marx, my Love
befragen lassen. Scheißdialoge, und viel zu lang.«
»Immerhin«, sagt Anna sanft, »ist ihre Frau zu Tode gekommen.«
Lenz lächelt beinahe belustigt. »Ja, sicher. Mit Hilfe einer künstlerisch hochwertigen Klobürste. Wer immer das war, er hatte Humor. Rosi hätte ihn erschlagen, wenn sie das überlebt hätte. Als sie mich holten, hielt ich es für einen Scherz, ehrlich. Der Restaurantmanager hat mich zur Toilette geführt, ganz diskret, und da lag sie auf kaltem Marmor. Überall Blut – und diese große, klaffende Wunde am Hinterkopf. Sie war mausetot. Der Notarzt holte dann die Polizei. Ich dachte erst an einen Unfall, dass sie irgendwie ausgerutscht und gegen eine scharfe Kante gefallen ist. Aber nein. Die Tatwaffe lag daneben, blutverschmiert. Das andere Ende natürlich, er hatte die Spiralbürste in der Hand und schlug mit dem silbernen Griff zu. Oder sie… wir wollen doch Gleichberechtigung walten lassen. Oh Gott, dieses Ende hat sie nicht verdient.«
Wischt er sich jetzt eine Träne aus dem Auge? Seine Stimmungen schlagen so schnell um, dass Anna kaum mithalten kann. Aber solange er redet, muss sie fragen. »Wieso hat sie sich nicht gewehrt?«
»Weil sie gekotzt hat, als es geschah. Vermutlich hat sie vergessen, die Tür abzusperren. Wir waren die einzigen Gäste um diese Zeit, und außer dem Manager und einer Kellnerin war niemand sonst im Lokal. Rosi war eine notorische Erbrecherin. Die anderen wurden immer betrunkener, und sie ging ab und zu zur Toilette und kotzte alles wieder aus. Eine Art Machtspiel, so dumm sich das anhört. Meine Frau war nie wirklich betrunken, verstehen Sie, Marx? Aber die anderen waren zugeschüttet, das gab ihr einen strategischen Vorteil. Außerdem wollte sie abnehmen, das war das zweite Motiv. Seit ich sie kenne, ist sie auf dem Trip, der nie irgendwohin führte. In ihren besten Zeiten hatte sie Ihre Figur, und die ist ja auch nicht besonders.«
»Oh, vielen Dank.« Anna beobachtet Oscar, der aus dem Garten zurückgekehrt ist und mit schmutzigen Pfoten über das Parkett läuft. Es scheint Lenz nicht zu stören, sicher gibt es jemanden, der für diesen Dreck zuständig ist. »Waren Sie betrunken?«
»Nicht mehr als sonst. Es hat grauenhaft gestunken in der Toilette. Benutzen Sie ein Parfüm mit Knoblauch?«
Anna seufzt. »Ich hab beim Italiener gegessen und bin beim Rausgehen gestolpert und hingefallen, deshalb das Veilchen. Aber wenn niemand sonst im Lokal war außer Ihrer Tischgesellschaft, wie konnte der Täter dann unbemerkt zur Toilette gehen? Es müsste ihn doch jemand gesehen haben?«
Jacob Lenz streicht sanft über Annas linkes Auge, und sie weicht unter seiner Berührung zurück. »Armes Mädchen. Ich dachte erst, Sie boxen im Schwergewicht. Na ja, der oder die könnte ja schon vorher, als noch Mittagstrubel war, zur Toilette gegangen und sich dort eingeschlossen und auf Rosi gewartet haben, oder? Es gibt zwei Toiletten, und davor ist der Schmink- und Waschraum, alles in hellem Marmor, sehr edel. Vielleicht auch ein bisschen nuttig.«
»Apropos«, sagt Anna: »Die beiden Damen, waren das Prostituierte?«
Ein halbes Lächeln mit tragischer Note: »Schauspielerinnen, kleine Sternchen am Firmament des Vergnügens. Wir nennen sie Schauspielerinnen. Sie haben sich verabschiedet, bevor die Polizei eintraf, was man dem Rest der Gesellschaft sehr übel nahm. Aber wir konnten sie ja nicht gut mit Gewalt zurückhalten, oder? Ich könnte mir denken, dass die Damen ein kleines Problem mit der Aufenthaltsgenehmigung haben. So spießig, diese Behörden…«
»Wer hat die Damen engagiert? Sie? Ihre Frau?« Anna glaubt, dass er ihr bisher die Wahrheit gesagt hat, seine Wahrheit, doch jetzt wird er argwöhnisch und vorsichtig.
»Ich weiß nicht. Der Restaurantmanager vielleicht? Und jetzt sag ich ihnen was, das Sie erstaunen wird: Ich glaube, ich habe während des Essens, als noch alle Tische besetzt waren, Harry an der Bar gesehen. Nein, richtig ist: Rosi hat ihn erspäht und mich darauf aufmerksam gemacht. Aber als ich hinsah, war er schon verschwunden. Vielleicht wieder gegangen…?«
Wahrheit oder Lüge? Er ist Schauspieler. Möglicherweise ein Täter. Zweifel liegt in Annas Blick, und dies steht nicht in seinem Drehbuch. Lenz zeigt mit dem Finger auf Annas Herz: »Sie müssten das doch wissen. Sie haben ihn ja beschattet.«
Annas Hand aufs Herz: »Das habe ich nie gesagt. Es ist Ihre Vermutung. Außerdem habe ich gestern niemanden mehr observiert. Der Auftrag war
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