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Marx, my Love

Marx, my Love

Titel: Marx, my Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Grän
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ist, werden Sie mir dann sagen, in welcher Angelegenheit meine Frau Sie konsultiert hat?«
    Sie hat doch diesen Bericht geschickt, allerdings ins Büro.
    Oder hat sie etwa vergessen, ihn abzuschicken? Jetzt fällt es ihr ein: Es war keine Briefmarke im Haus, und sie wollte zur Post gehen und… verdammt, jetzt ist es ohnehin zu spät, also muss sie sich nicht über ihre Schlamperei ärgern.
    »Ich sollte jemanden für Ihre Frau beschatten. Das habe ich drei Tage lang getan, und ich habe nichts Außergewöhnliches feststellen können. So steht es im Bericht, der frankiert auf meinem Schreibtisch liegt.« Eine überflüssige Lüge, sie kann es nicht lassen.
    Anna sieht ihm in die Augen, die vielleicht einmal so klar und beeindruckend waren wie die seines Hundes. Hat nicht alles hier ihr gehört – inklusive dem Curd-Jürgens-John-Wayne-Clint-Eastwood-Verschnitt, der jetzt sein Glas erhebt und ihr zuprostet? Der Hund liegt vor der Glastür, die zum Garten führt. Zu Füßen einer griechischen Statue, oder römisch oder weiß der Himmel, jedenfalls steht da ein nackter Mann in Marmor.
    »Wen wollte sie beschattet haben, Private Eye?« Er trinkt sein Glas leer, doch seine Augen sind unverwandt auf Anna gerichtet. Sie wünschte, er würde ihr sagen, welches Stück gespielt wird. Sie muss improvisieren, während er seinen Text kennt.
    »Das kann ich Ihnen nicht sagen. Berufsgeheimnis oder so. Wenn das ein Film wäre, würden Sie jetzt eine Pistole ziehen und mich auffordern, den Namen zu nennen. Und ich würde sie Ihnen im Kampf entwinden, weil Detektive die Guten sind und am Ende übrig bleiben.«
    Lenz lächelt beinahe amüsiert. »Das ist die konservative Variante, es gibt auch andere. Noch ein Schluck? Es ist Rosis Lieblingschampagner. Ich hoffe, wo immer sie ist, dass es dort Vorräte gibt. War es Oliver Lindemann?«
    »Nein.« Wer ist Oliver Lindemann? Anna greift nach der Zigarette, die er ihr anbietet. Ihre erste an diesem Tag, es muss ihr wirklich schlecht gegangen sein.
    »Benno Mackeroth?«
    Anna bläst ihm Rauch ins Gesicht. »Das ist ein blödes Spiel. Ich sag Ihnen den Namen nicht. Er ist sowieso belanglos, weil ich nichts herausgefunden habe. Außerdem ist die Sache mit ihr gestorben… Entschuldigung.«
    Lenz hebt seine Schultern, jede seiner Gesten erscheint ein wenig übertrieben, einstudiert, so als wäre Anna die Zuschauerin und irgendwo im Raum die Kamera, die ihn filmt.
    »Warum? Tot ist tot. Das Schlimmste daran ist die Heuchelei, die diesen Umstand begleitet. Ich sag Ihnen, wer es war: der arme Harry. Ja, natürlich. Einmal habe ich ihn sogar erwischt, als er hier im Garten herumschlich. Rosi hatte tatsächlich Angst, dass er Oscar etwas antut. Sie hat diesen Hund wirklich geliebt. Das einzige Lebewesen, dem sie ganz und gar vertraute. So treu und bedingungslos ergeben. Wussten Sie, dass meine Frau eine Sportstudentin engagiert hat, die jeden Morgen drei Stunden mit Oscar durch den Park joggt?«
    Anna ist es unbegreiflich, wie jemand drei Stunden seiner kostbaren Zeit mit Laufen verbringen kann. Jacob Lenz kennt Harry Loos, das wusste sie schon vorher. Die Geschichte mit dem Kokain. Nun, sie wird gar nichts sagen, und er kann ihr Schweigen als Zustimmung werten. Ein moralischer Kompromiss minderer Qualität, an die Sorte hat sie sich mittlerweile gewöhnt.
    »Wie viel hat Rosi Ihnen bezahlt? Nein, um Gottes willen, ich will das Geld nicht zurückhaben. Mich interessiert nur, wie viel er ihr wert war.«
    »Ihre Frau hat mir ein paar hundert Euro als Pauschale angeboten, die habe ich abgerechnet.« Und für Sonnenbrille, Schuhe und die Telefonrechnung ausgegeben. Geld war stets eine unsichere Größe in Annas Leben, was sie nicht daran gehindert hat, es mit vollen Händen unter die Leute zu bringen. Brutto gleich netto. Jacob Lenz lebt in anderen finanziellen Sphären. Doch wie hält man so ein Haus nur aus? Rosis Sammlung von Preisen, Berühmtheiten, Kunst und Kitsch – und alles trägt so aufdringlich ihre Handschrift, dass ihr Tod wie ein Filmgag erscheint. Was zu der anderen Frage führt: Wie hat er sie ertragen? Anna war bereits nach einer Stunde ihrer Gegenwart in Schweiß gebadet.
    Lenz schenkt sich zum dritten Mal nach und hält das Glas mit beiden Händen hoch wie den Kelch in der Kirche. »Die beiden hatten einmal eine Affäre, müssen Sie wissen. Und als sie ihn hinauswarf, hat er ihren Hund mitgenommen und einschläfern lassen. Harry gehört zu den gefährlichen Verlierern. Weil er es

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