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Marx, my Love

Marx, my Love

Titel: Marx, my Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Grän
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sie uns einsperren«, sagt Sibylle mit sanfter Stimme. »Und ich werde jetzt weiterschlafen, während du den Rächer der Enterbten gibst. Ruf mich an, wenn du im Gefängnis sitzt. Ich bring dir was zu essen.«
    »Du bist ein wahrer Freund«, sagt Anna, bevor sie auflegt. Sie hat großen Hunger, ein sicheres Zeichen für eine Krise, besonders dann, wenn sie vor dem offenen Kühlschrank sitzt und wahllos in den Mund nimmt, was die spärlichen Vorräte hergeben. Dazu trinkt sie Milch aus der Flasche, ihr einziger Beitrag zu gesunder Ernährung. Sie schämt sich und kann doch nicht aufhören, bis das letzte Essbare vom Kühlschrank in ihren Bauch gewechselt ist.
    Der Tag beginnt mit Straßenlärm und dem diffusen Licht der Zwischenzeit. Anna steht rauchend am Fenster und sieht über die Hinterhöfe hinauf zum Himmel. Wo immer Lily ist, es wäre schön, jetzt an Engel zu glauben. An eine überirdische Gerechtigkeit, sodass die Menschen Lily nichts mehr anhaben können. Es sind kitschige Gedanken und sentimentale Tränen, und der Himmel gibt nichts her, was sie trösten könnte, nicht einmal einen Stern. Zu spät, zu früh, sie hat immer mehr gewollt, als sie kriegen konnte – und das meist zum falschen Zeitpunkt.
    Anna legt sich in die Badewanne und träumt weiter. Wahr sind nur die Gedanken, die sich selbst nicht verstehen. Wahr ist auch, dass sie jetzt am liebsten aufhören möchte und den letzten Satz dieser Geschichte mit einem Fragezeichen versehen, um sie so stehen zu lassen. Offen für alle Wünsche und Wunder, an die man glauben möchte. Sie will nicht daran denken, was mit Lily geschehen könnte. Will nicht wissen, was Joy über Marylins Mörder zu erzählen hat. Nicht in die Abgründe der anderen eintauchen, nur um die Wahrheit an Land zu bringen. Wahrheit ist grausam, manchmal unerträglich. Anna will im heißen Wasser liegen, den Geruch von Rosenöl einatmen und den Schimmelfleck an der Decke studieren. Die Unvollkommenheit preisen, die ihr Leben umgibt. Diese Einsamkeit, die immer von der Sehnsucht lebte, dass eines Tages einer kommen würde, der sie ihr abnimmt. Sie stand immer an der falschen Haltestelle.
    Nicht sentimental werden, Anna, es endet immer in Weltschmerz, der zum Lachen reizt. Und nicht einschlafen, denn Wasserleichen sehen so unappetitlich aus. Die Liste des Nicht ist länger als alles andere. Sie sollte jetzt kalt duschen, um endgültig aufzuwachen und das Gegenteil dessen zu tun, was sie erträumt. Doch vorher taucht sie noch einmal unter. In die Wärme, in den kleinen Weltuntergang, der nicht stattfindet. Anna steigt frierend aus der Wanne. Die Welt ist kalt.

23. Kapitel
     
     
     
    »Rosi war so pleite, dass die Geier schon den Boden streiften.« Benno Mackeroth trägt einen Zweitagebart und sieht aus wie der Avantgarde-Schauspieler, der er gerne sein möchte. Er trinkt Espresso, der in Sibylles Kneipe so stark ist, dass die Gäste nach dem ersten Schluck einen Ausdruck starren Entsetzens annehmen. Auch Mackeroth, der jetzt zu seiner Pfeife greift, die er sich aus Imagegründen zugelegt hat. Zigaretten rauchen kann jeder. Nichtrauchen auch, aber er findet, dass Laster ihm besser zu Gesicht stehen. Er sieht Anna Marx aus leicht blutunterlaufenen Augen an. »Aber Sie wollten mich nicht treffen, um über Rosi zu sprechen, oder?«
    Anna hat die vertraute Umgebung gewählt, weil sie sich hier sicherer fühlt. Das fragile Gleichgewicht, verbunden mit Schlafmangel, verträgt keine größeren Ortswechsel. Sie schlug am Telefon neutralen Boden vor und war erstaunt, wie schnell er einem Treffen zustimmte. Sie hatte nur den Namen Joy erwähnt.
    »Nein, aber erzählen Sie es mir trotzdem. Es interessiert mich.«
    Mackeroth versteht, dass das Spiel nach ihren Regeln gespielt wird. Sie kreisen noch um ein Thema, das ihn brennend interessiert. »Rosi hatte immer ein Cash-Problem. Die Kosten explodieren, und wenn ein Film floppt, bist du tot. Na ja, ist sie ja auch. Obwohl sie es im letzten Augenblick immer wieder geschafft hat, sich mit einer Fernsehserie zu sanieren. Aber das große Stark-Ziel war ein zweiter, ein richtiger Oscar, und deshalb produzierte sie immer wieder Kinofilme. Zu viel Ehrgeiz: Der letzte war teuer und mehr als ein Flop.«
    »Haben Sie nicht die Hauptrolle gespielt?«
    Benno lächelt schief. »Nicht ganz freiwillig, meine Liebe. Der Film war Scheiße, alle haben es gewusst, aber keiner hat es ihr gesagt. Rosi hegte eine gewisse Allergie gegen jede Art von Widerspruch.«
    »Ich

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