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Marzipaneier (Junge Liebe)

Marzipaneier (Junge Liebe)

Titel: Marzipaneier (Junge Liebe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuel Maier
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mit dem Einschlafen habe ich trotzdem. Immer, wenn ich die Augen schließe, sehe ich das demolierte Auto vor mir. Eingedelltes Dach, offenstehende Türen, zersplitterte Scheiben, und den um einen Baum gewickelten Hubraum. Dann erscheint Ben immer wieder vor mir. Zuerst wie er schwer verletzt auf dem Acker liegt, Schmerzen hat und jämmerlich meinen Namen stöhnt. Später habe ich die Vision eines hell erleuchteten Engels, der mich zu sich holen will. Wenn ich kurz eindöse, ertönt jedes Mal das Rascheln der Plastiktüte mit den Marzipaneiern dröhnend in meinen Ohren, weil ich mit dem Schuh dagegen stoße und ich fahre erschrocken hoch. Das Horrorszenario endet schließlich im Krankenhaus. Ich begegne Ben, der vor meinen Augen stirbt, weil die Maschinen, die ihn am Leben halten, stoppen. Ich durchlebe alles wieder und wieder. Schweißgebadet wache ich ein ums andere Mal auf. Es ist eine Tortur. Immer wieder derselbe Traum. Noch so eine Nacht überstehe ich nicht.
     
    Vor der Haustür warte ich auf ein Zeichen des Himmels. In der Schule wurde ich heute mit Respekt behandelt. Wohl deswegen, weil ich gestern zugab, was mit Ben zu haben. Die Aussprache mit meiner Familie steht mir bevor. Was wollen sie denn tun? Es ist geschehen. Ich kann es nicht ändern.
    In der Diele stolpere ich über einen Haufen Koffer. Cora! Zurück? Dich brauche ich jetzt. Ihr Au-pair-Jahr ist abgelaufen. Ich dachte sie möchte in Frankreich studieren? War wohl doch nicht das gelbe vom Ei. Trautes Heim? Von wegen. Sie sitzen versammelt um den Esstisch beim Mittagessen. Die Ruhe vor dem Sturm. Ich kenne solche Situationen aus der Vergangenheit und weiß, dass mein letztes Stündlein bald geschlagen hat. Ich betrete das Esszimmer. Die Scheiben der Glastür zittern jedes Mal, wenn man sie öffnet oder schließt. Ich sehe wieder vor mir, wie sich Bens Auto überschlägt und die Scheiben splittern. Wann hört das endlich auf? Totenstille. Cora begrüßt mich liebevoll. Wenigstens ist jemand da, der mir den Rücken stärken kann. Sie sagen kein Wort. Das heißt, ich kann mich gehörig auf was gefasst machen. Der Raum ist weiß. Die Wände, das Sideboard mit der allseits gefüllten Obstschale, die Stühle, die Tischdecke. Alles normal. Wie immer. Es fällt mir besonders in Momenten wie diesen auf, wenn ich mit meinen Augen unsicher durch das Zimmer schweife. Wenn nur nicht diese beängstigende Ruhe im Raum Einzug halten würde! Jay sieht von meiner Gegenwart angewidert aus und stochert unentschlossen in seinem Essen rum. Cora haut rein, als gäbe es in Frankreich nichts zu essen und der Blick meiner Eltern ist versteinert. Sie schieben ihre Teller von sich. Kein Funkeln in den Augen und kein Lächeln auf den Lippen. Ihr Schweigen ist das Schlimmste. Ich habe keinen Hunger und will es hinter mich bringen. Ich spiele nervös mit meinem Glas, indem ich es zwischen Daumen und Zeigefinger drehe. Jay springt auf.
    „Sorry, ich kann nicht. Ich kann nicht mit einer Schwuchtel am Tisch sitzen.“
    Cora stellt sich vors Fenster mit dem Rücken zu uns. Sie weigert sich den Raum zu verlassen, obwohl es ihr Dad befohlen hat. Gefangen in der Höhle des Löwen warte ich darauf, dass meine Eltern mit meiner Sezierung beginnen.
    „Wer hat dir diese Flausen in den Kopf gesetzt, was mit Bendix anzufangen? Du bist dir darüber schon im Klaren, dass so etwas nicht normal ist?“ Dad wird laut.
    „Bist du noch nie verliebt gewesen? Das kann ich mir nicht vorstellen. Dein Problem ist, dass es nicht ins Schema passt. Wir leben aber nicht mehr im 17. Jahrhundert.“
    „Über die Konsequenzen bist du dir nicht bewusst. Deinetwegen ist die Beziehung zwischen Bendix und der armen Bianka zerbrochen. Sie leidet sehr.“
    „Dazu gehören immer zwei. Und ich leide auch. Womit wir zu dritt wären.“
    „Ich habe dich nicht nach deiner Meinung gefragt. Ich habe mit Bianka gesprochen. In der Nacht, in der er verunglückte, hatten sie einen großen Streit. Der geht auf deine Kappe. Bendix hat, warum auch immer, seine Koffer gepackt und war auf dem Weg zu dir. Mir war ja schon immer klar, dass mein schnöder Bruder nicht ganz normal ist, aber dass das alles auf dich abfärbt, hätte ich nicht in meinen kühnsten Träumen für möglich gehalten. Du zerstörst eine Familie. Geht das nicht in deinen Kopf? Die armen Zwillinge.“
    „Meinst du etwa, ich habe keine Schuldgefühle? Du brauchst mir keine einzureden. Das kann ich selber sowieso viel besser. Ich kann nicht mehr schlafen,

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