Marzipaneier (Junge Liebe)
wie ein Koloss. Falls sie verheiratet ist, hat der arme Kerl bei diesem Temperamentsbolzen sicher nichts zu melden. Sie versucht mich abzuwimmeln.
„Wenn du nicht der Sohn oder Vater bist, muss ich dich auffordern zu gehen, bitte.“
„Hey, er ist mein Onkel ... und ein bisschen mehr.“
„Tut mir leid, Dennis.“
Resigniert mache ich kehrt. Ich habe keine Lust hier liegen zu müssen, wenn ich mich mit der anlege. Jemand tippt mir auf die Schulter.
„Dennis heißt du?“ Ein weiß bekleideter Mann steht vor mir, der Oberarzt.
„Ich glaube bei dir können wir eine Ausnahme machen.“
Hochmütigen Blickes schlendre ich an dem Hausdrachen von Krankenschwester vorüber. Gut, sie tut ihre Pflicht, aber das ginge auch mit freundlicher Manier.
„Ich war der Arzt, der deinen Onkel heute Nacht aufgenommen hat.“
Wir setzen uns in sein Arztzimmer. Was will der von mir? Ich dachte, wir gehen zu Ben. Sofort! Ich möchte nicht zugelabert werden. Ich werde es überstehen, keine Sorge. Ich will zu ihm!
„Derzeit sind viele Krankenhäuser überfüllt oder weit über ihre Kapazitäten hin ausgelastet. Hinzu kommen personelle Engpässe. Keines konnte ihn aufnehmen. Das hat Herrn Jacobi natürlich nicht geholfen. Als er zu uns kam, hatte sich sein Zustand seit dem Unfall permanent verschlechtert. Er ist ganz kurz aufgewacht.“
Sag schon. Alle tun so geheimnisvoll. Ich bin keine Porzellanpuppe. Ihr müsst keine Rücksicht auf mich nehmen.
„Ständig säuselte er deinen Namen. Man hat kaum etwas verstanden. Er sagte, er müsse zu dir und irgendwelche Eier abgeben. Verstehst du das? … Ostern ist lange vorbei.“
„Ich habe sie gefunden. Am Unglücksort. Schokoeier gefüllt mit Marzipan. Kann ich zu ihm?“
Bianka und Dad kommen uns entgegen. Die blöde Pute beginnt zu toben und lauthals zu kreischen.
„Du machst alles kaputt. Du Schwein! Ich habe ihm noch gesagt, dass er mit dir in sein Unglück rennen wird. Er hat mich heute Nacht verlassen. Wegen dir. Schämst du dich nicht? Gegen ein Uhr ist er aus dem Haus gegangen. Kurz darauf ist es geschehen. Du hast Schuld!“
„Frau Jacobi, Vorwürfe helfen dem Jungen jetzt auch nicht weiter. Sehen Sie nicht wie durcheinander er ist? Beruhigen Sie sich erst einmal. Gehen Sie in mein Zimmer. Ich komme gleich nach!“
Zwei nette Schwestern führen die beiden in das Zimmer, aus dem wir gerade kommen. Hysterische Ziege, die muss ruhig gestellt werden! Der Doc erklärt mir, dass es für Bens Genesung wichtig sein könnte, zu wissen, dass ich da bin. Auch wenn Ben im Koma liegt, würde er zarte Berührungen und meine Stimme im Unterbewusstsein wahrnehmen. Er ist davon überzeugt, selbst wenn die Meinungen darüber auseinander gehen. Vielen Menschen habe das aus ausweglosen Situationen wieder auf die Beine geholfen.
Ich folge ihm. Nach einigen Metern schiebt er eine Tür zur Seite. Ich bin bekleidet wie in einer Arztserie. Grüner Kittel und Plastikhütchen. Zurückhaltend betrete ich den Raum.
„Ich werde dich jetzt mit ihm alleine lassen. Aber nicht zu lange, ok? Mach ihn wieder gesund, ich bin davon überzeugt, dass du es schaffst.“
Ein netter Mensch. Aber der hat Nerven! Wer ist hier der Arzt von uns beiden? Er verlässt den Raum und gibt mir die Sicht auf Ben preis. Mir bietet sich ein Anblick des Grauens. Ich werde es doch nicht überstehen. Ach du lieber Himmel! Mir wird schwarz vor Augen. Ich sacke auf den Stuhl vor Bens Bett nieder. Das kann nicht sein. Das ist er nicht. Überall Maschinen, Schläuche und Kabel, mit denen er verbunden ist. Sein linkes Bein ist eingegipst und sein Kopf dicht in Mulden gehüllt. Ein Schlauch steckt in seinem Mund. Er muss künstlich beatmet werden. Fremd liegt er vor mir. Sein Oberkörper, angeschlossen an sämtliche Gerätschaften, ist entblößt. Ich erkenne seine Härchen wieder. Auch die um seinen Bauchnabel. Mir kommen die Gedanken daran, als wir uns nahe waren und ich ihn spüren konnte. Selbst an seinem Zeigefinger klemmt eine unidentifizierbare Klammer. Wahrscheinlich ein Pulsmessgerät. Er riecht nicht nach Ben. Eher einbalsamiert oder so. Ich habe Angst ihn zu verlieren. Der Anblick ist schrecklich. Ich nehme seine kalte Hand, flüstere ihm zu, wie sehr ich ihn liebe, und dass ich es heute zum ersten Mal geschafft habe mir lautstark vor allen anderen einzugestehen, was ich für ihn empfinde. Sein Gesicht ist leicht angeschwollen, versehen mit Pflastern und Blutergüssen. Seine ansonst makellose Schönheit lässt
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