Maskenball
dich. Du wolltest dich doch eh noch mal mit ihm unterhalten. Das musst du bald tun, sonst ist Krüger weg. Er will noch diese Woche zurück nach England.«
»Bilder aus Breyell? Von früher, sagst du? Das klingt wirklich interessant. Ich würde wirklich zu gerne wissen, wie es in Breyell war, damals, als auch meine Eltern noch jung waren.«
»Auf einigen Fotos sind junge Soldaten zu sehen. Vielleicht waren sie auf Heimaturlaub von der Front.« Lisa griff nach ihrem Wasserglas und trank einen Schluck. »Ich finde, dass die alten Aufnahmen schöner sind als die Schnappschüsse, die wir heute mit den Digitalkameras machen. Erstens haben die Bilder noch diesen schönen gezackten weißen Rand, und außerdem guckt man sich Fotos eher an, wenn sie in ein Album geklebt werden, statt sie auf CD oder der Festplatte eines Computers zu speichern. Aber Papierbilder sieht man sich doch immer wieder an. Ich will für die Aufnahmen unseres Kindes auf jeden Fall keine Digitalkamera. Ich werde meine alte Spiegelreflex herauskramen und im Fotoladen überholen lassen.«
»Das kannst du gerne tun. Für Privataufnahmen finde ich die alten Kameras auch besser. Für den Job, finde ich, sind die Digi-Kameras schon eine echte Erleichterung.«
»Mag sein, weiß ich nicht.« Lisa trank wieder an ihrem Glas. »Willst du die alten Bilder sehen?«
»Krügers Fotos?«
»Klar. Ist kein Problem. Sie liegen noch auf seinem Nachttisch. Vermutlich braucht er sie als Gedankenstütze, um sich an seine alten Kumpel und die Zeit in Breyell erinnern zu können.«
»Nee, lass man, wir können doch nicht in den Sachen des alten Mannes kramen. Das gehört sich doch nicht.«
»Papperlapapp. Ist doch nichts dabei. Die Fotos liegen doch offen herum. Und ihr beiden kommt aus Breyell. Da ist es doch verständlich, dass du neugierig bist. Und außerdem ist Krüger nicht da. Er wird es gar nicht merken.« Lisa war schon aufgestanden. »Ich bin ganz neugierig, ob du auf den Bildern etwas entdeckst.«
Bevor Frank etwas erwidern konnte, war Lisa schon auf dem Weg in Krügers Zimmer. Frank sah ihr nach. Sie hat schon einen ganz schön dicken Bauch bekommen, fand Frank. Fast schon der Ansatz zu einer kleinen Melone. Sie trug ihr Kind regelrecht vor sich her. Denn von hinten sah Lisa noch richtig schlank aus.
»Hier sind die Fotos.« Lisa hielt ihm ein kleines Päckchen mit schon leicht angegilbten Fotos und Postkarten hin.
Frank nahm sie neugierig in die Hand und betrachtete sie. Es waren insgesamt ein gutes Dutzend Bilder. Die meisten waren in der Tat alte Postkarten mit Dorfansichten. Zu sehen war der alte Kirchturm, noch mit spitzer Turmhaube. Eine Karte zeigte verschiedene alte Gebäude des Dorfs, die um die verschnörkelte Überschrift drapiert waren: »Gruß aus Breyell«. Frank drehte die Karte um. Sie war nicht nur vorne, sondern auch hinten eng mit Bleistift beschrieben. Die Briefmarke fehlte.
Frank hatte große Mühe, die Handschrift zu entziffern. Viel mehr als das Datum konnte er auf Anhieb nicht erkennen. Die Ansichtskarte war jedenfalls noch vor dem Krieg verschickt worden, zumindest soviel war klar. Warum sie ausgerechnet bei Krüger gelandet war, der zu dem Zeitpunkt mit seiner Familie in Breyell gewohnt hatte, konnte Frank sich nicht erklären. Wer verschickte schon innerhalb eines Ortes eine Ansichtskarte? Vielleicht hatte Krüger die Karte ja auch erst Jahre später irgendwo gefunden, auf einem Trödelmarkt vielleicht. Er mochte sie mitgenommen haben, weil sie ihn an seine Heimat erinnert hatte.
Frank konnte erkennen, dass einige der abgebildeten Häuser nicht mehr existierten. Unter anderem stand heute an ihrer Stelle das Gebäude der Sparkasse. Auch die Kirchturmspitze war ja längst einem fast flachen Dach gewichen. Und die Dorfpumpe war ebenso verschwunden wie das helle Gebäude, das direkt an den alten Kirchturm gebaut war.
Die Postkarten zeigten eine Idylle, die es so längst nicht mehr gab, dachte Frank. Ob es früher besser war als heute, vermochte er nicht zu sagen. Dazu hatte er nie die Zeit seiner Eltern erlebt, noch war er heute oft genug in Breyell, um ein halbwegs gesichertes Urteil abgeben zu können. Er hatte sich vorgenommen, wenn das Kind geboren war, öfter mit Lisa und dem Kleinen in und um Breyell spazieren zu gehen. Dort gab es, das wusste er noch aus Kindertagen, jede Menge Wald- und Feldwege. Zum Kaffeetrinken könnten sie dann den Naturschutzhof ansteuern, oder eines der Bauerncafés in der weiteren Umgebung.
Auf
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