Maskenball
erinnern.
Frank musste plötzlich an seine umfangreiche Schallplatten- und CD-Sammlung denken. Vielleicht doch kein schlechtes Ding, so ein Laufstall. Damit wäre sein wertvolles Schallarchiv auf jeden Fall vor kleinen klebrigen Fingern sicher. Wenn der Stall nur nicht so sperrig wäre. Wie sollte er das Ding in seinem Cabrio transportieren?
»Geht es dir nicht gut, du siehst so blass aus?« Schrievers sah Frank halb belustigt, halb besorgt an.
Frank winkte betont lässig ab »Nee, nee, es ist nur, ich bin so überrascht. Damit habe ich nun gar nicht gerechnet. Nee, nee, ist alles in Ordnung.«
»Lass ihm noch ein bisschen Zeit, Schrievers.« Ecki zog die oberste Schublade seines Schreibtischs auf. »Soll ich uns einen Tee machen? Hilft gegen Stress. Ist gut für Anti-Aging.« Die letzten Worte waren an den dicken Polizeihauptmeister gerichtet.
»Anti-Aging? So ein Quatsch. Du glaubst doch nicht im Ernst, dass dein Tee gegen das Alter hilft? Dagegen ist noch kein Kraut gewachsen. Gutes Essen hilft, sagt meine Gertrud. Sei ehrlich, sehe ich denn aus wie Mitte 40? Doch wohl nicht, oder?«
Schrievers strich sich zufrieden über seinen Bauch und suchte einen Stuhl, um sich zu setzen. Auf dem einzigen freien Platz stapelten sich allerdings Akten. Daher setzte er sich mit einer Hälfte seines beachtlichen Hinterteils vorsichtig auf eine Ecke des gebrauchten Laufstalls, der daraufhin verdächtig knirschte.
»Das neumodische Zeug taugt nichts. Frische Luft ist das einzig Wahre. Damit ist mein Vater fast neunzig geworden. Immer viel gearbeitet, immer an der frischen Luft.« Schrievers sah Ecki an. »Kannst du bitte das Fenster schließen? Ich habe meine Strickjacke im Büro hängen lassen. Wenn ich nicht Acht gebe, bin ich morgen krank. Das kann ich mir nicht leisten.«
Frank sah an Heinz-Jürgen Schrievers mächtigem Leib hinab. Heini trug auch diesmal wieder seine unvermeidlichen, braun karierten Pantoffeln. Schrievers war in der Tat der einzige Beamte bei der Mönchengladbacher Polizei, der sich solche Eskapaden ohne Konsequenzen leisten konnte. Niemand seiner Kollegen konnte sich erklären, wie er das anstellte. Selbst der Polizeipräsident hatte damals bei seiner Amtseinführung Schrievers nicht von seiner Marotte mit den Pantoffeln abbringen können, obwohl er ihm in einem persönlichen Gespräch klar gemacht hatte, dass er sehr viel Wert lege auf ein korrektes Erscheinungsbild seiner Beamten.
Vielleicht lag es daran, dass Schrievers ohnehin kaum in der Öffentlichkeit auftauchte und stattdessen lieber den ganzen Tag in seinem Archivkeller zubrachte. Der weitaus wahrscheinlichere Grund für seine »Narrenfreiheit« war aber sicherlich die Tatsache, dass der Polizeihauptmeister Heinz-Jürgen Schrievers einen tadellosen Ruf als Experte für knifflige Fragen hatte. Er galt unter seinen Kollegen als so etwas wie das wandelnde Gedächtnis der Mönchengladbacher Polizei. Da fiel es auch dann kaum ins Gewicht, dass seine Dienstuniform manches Mal mehr oder minder deutliche Spuren seiner Mahlzeiten trug.
Jedenfalls war, wenn nichts mehr half, der Weg in Schrievers Büro nicht selten die allerletzte Möglichkeit, doch noch einen Fall zu Ende zu bringen. Dabei setzte Schrievers lieber auf seine alten Karteikästen als auf den Computer. So ging jedenfalls das Gerücht. Zumal bisher noch niemand erlebt hatte, dass der moderne Flachbildschirm in Schrievers Büro jemals eingeschaltet war.
Schrievers war immer ansprechbar und hilfsbereit. Wenn er nicht gerade Pause machte, um seine dick belegten Leberwurstbrote oder Schinkenstullen genüsslich zu verdrücken, die ihm seine Gertrud jeden Morgen mit auf den Weg gab.
Heinz-Jürgen Schrievers war ein echter Gemütsmensch, der Wert darauf legte, mit seinem vollen Namen angesprochen zu werden, und der sehr unangenehm werden konnte, wenn man ihn auf »Heini« verkürzte. Dieser Schrievers also hatte sein Leben lang nichts anderes werden wollen als Beamter. Das hatte er dann auch geschafft und war vor Jahren nach einigen dienstlichen Umwegen im Präsidium an der Theodor-Heuss-Straße gelandet. Einige jüngere Kollegen meinten, Schrievers sei quasi im Archiv groß geworden. Aus seiner Herkunft hatte er dabei nie einen Hehl gemacht. Denn neben den unvermeidlichen grauen Strickjacken mit Zopfmuster, die er das ganz Jahr über trug und die seine immer größer werdenen Uniformhemden nur unzureichend bedeckten, verrieten seine rosigen Wangen, na ja, dass er als Kind und Jugendlicher
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