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Matterhorn

Matterhorn

Titel: Matterhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Marlantes
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dem Felsen neben ihm.
    »Sind Sie sauer, weil Sie die Kompanie nicht gekriegt haben?«, fragte Mellas.
    »Ich weiß nicht. Doch. Doch, ich wollte die Kompanie. Aber inzwischen will ich einfach nur raus aus dem Scheißbusch.«
    »Haben Sie’s versucht? Sich zum Beispiel um einen Job in der Einsatzzentrale beworben, so wie Stevens?«
    »Scheiße, sehe ich vielleicht aus wie ein Diktiergerät? Was soll das eigentlich, Mellas, wollen Sie mich loswerden?«
    Mellas spürte, wie er errötete. Er sagte nichts.
    »Keine Sorge, Mellas«, sagte Hawke. »Sie sind so wahnsinnig grün, dass Sie noch hier sein werden, wenn ich schon kühle Drinks in O’Days Bar schlürfe. Sie werden reichlich Zeit haben, eine Kompanie zu kriegen. Als Erstes werden Sie wahrscheinlich zum Bravo Five gemacht, falls ich jemals meinen sommersprossigen Hintern hier rauskriege. Kendall geht in ein paar Wochen. Goodwin auch.« Hawke lachte leise. »Scheiße, Jack«, ahmte er den Genannten nach. »Scar. Seine Stellungen sind unter aller Sau, sein Papierkram der reinste Müll, sein Funkbetrieb eine Katastrophe, aber die Truppen werden ihm überallhin folgen. Überallhin.« Hawke stieß Luft zwischen den Lippen aus. »Das ist das Problem mit ihm. Er ist ein Kämpfer.«
    »Das ist ein Problem?« Wieder war Mellas neidisch auf Goodwin, aber sein Neid musste gegen die Wärme ankämpfen, die das Bild von Goodwin hervorrief, wie er sich am Ohrläppchen zupfte und kichernd von einem dritten Purple Heart schwadronierte.
    »Bei diesem Krieg schon«, sagte Hawke. »Deswegen ist er wahrscheinlich auch so beschissen. In einem Krieg braucht man Krieger, die kämpfen, keine kleinen Jungs, die sich mit Kampfanzügen verkleiden und das Ganze nur verwalten.«
    »Scheiße, warum machen Sie dann nicht Scar zum Five?«, fragte Mellas etwas hitziger, als er beabsichtigt hatte.
    »Weil Goodwin in drei Minuten eingehen würde wie eine Primel. Und zwar nicht wegen der Scheiß- NVA . Sie dagegen nicht, und das wissen Sie auch. Sie würde die Politik erst richtig zur Entfaltung bringen, glaube ich.«
    Sie verfielen in Schweigen.
    Nach einer Weile fragte Hawke: »Wissen Sie, warum wir wirklich in diesem Scheißtodescanyon stecken?«
    Mellas wusste es nicht und gab deshalb bloß einen unbestimmten Laut von sich.
    »Weil Fitch nicht weiß, wie man dieses Scheißspiel spielt. Deswegen. Im Gefecht ist er ein guter Führer. Ich würde ihm buchstäblich bis in den Tod folgen. Aber bei dieser Art von Krieg ist er kein guter Kompaniechef. Er hat sich bei Simpson unbeliebt gemacht, weil sein Bild zu oft in der Zeitung war und er nie auf Simpsons Verdienste hingewiesen hat – nicht, dass er welche hätte, aber genau das ist es. Wer schlau ist, weist auf die Verdienste dessen hin, der die Macht hat, ganz gleich, ob der welche hat oder nicht. Auf diese Weise hat der Schlaue etwas anzubieten, was der Boss unbedingt will. Damit hat der Schlaue Macht über den Boss.«
    Mellas blieb stumm.
    »Früher war es so: Wenn man draußen im Busch war und eigenständig operiert hat, so wie wir jetzt, dann hat dem Skipper keiner reingeredet. Damals ging das schon rein funktechnisch gar nicht. Jetzt schon, und die Scheißoberen glauben, sie wären draußen auf Spähtrupp. Inzwischen werden die kleinsten Einheiten von Colonels und Generälen geführt, was sag ich, bis rauf zum Präsidenten. Colonel und darüber, das war früher die Ebene, wo man sich mit dem ganzen politischen Scheiß befasst hat, wie zum Beispiel Abgeordnete auf Reisen, Fernsehen, Journalisten, was Sie wollen. Aber inzwischen leiten diese Typen die Show bis runter in diesen Scheißcanyon, und damit sind auch wir mittendrin in der Politik. Und je besser die Funkgeräte, desto schlimmer wird es werden. Die Politik nimmt Einfluss bis runter auf Kompanieebene. Leute wie Fitch und Scar werden aussortiert werden, und Leute wie Sie werden ans Ruder kommen.«
    »Leute wie ich?«, fragte Mellas ruhig.
    Hawke seufzte. »Scheiße, Mellas, ich meine Scheißpolitiker.«
    Mellas versteifte sich. »Dafür halten Sie mich?«
    »Ja. Dafür halte ich Sie.«
    Mellas sagte nichts.
    »Scheiße, Mellas, nun seien Sie nicht gleich beleidigt. Ich hab doch nicht gesagt, dass ich Sie nicht mag, Herrgott noch mal, oder dass Sie ein schlechter Mensch sind. Obwohl ich sagen muss, dass die Gesellschaft, in der Sie sich bewegen werden, um einiges schmieriger ist als der Durchschnitt. Finden Sie sich einfach damit ab, dass Sie ein Scheißpolitiker sind. Das waren auch

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