Matterhorn
Schreien war das eines Menschen, der nicht mehr Herr seiner Sinne ist. Als Fredrickson versuchte, seine Temperatur zu messen, warf Parker immer wieder heftig den Kopf hin und her, sagte mehrmals »Nein« und spuckte das Thermometer aus. Fredrickson steckte es ihm in die Achselhöhle. »Einundvierzig, Lieutenant«, sagte Fredrickson. »Und zwar auf der Haut. Sein Gehirn kocht.«
Parker fing an zu schreien. »Ich will nicht sterben. Nicht hier. Nicht hier. Ich will nicht sterben.«
Cortell faltete die Hände und betete. »Du glaubst an Jesus, Parker, ich weiß es«, sagte er. Er goss Wasser über den durchweichten Verband, den Fredrickson auf Parkers Stirn gelegt hatte.
Sheller kam und leuchtete Parker mit einer Taschenlampe in die Augen. »Challand drüben beim Dritten Zug hat genau das Gleiche«, sagte er. »Ich habe so was noch nie gesehen. Wenn wir es allerdings nicht schaffen, die Temperatur zu senken, sterben sie.« Er blickte zu Mellas auf. »Diesmal kriegen wir mit Sicherheit eine Notfallevakuierung. Die Frage ist nur, wo.«
Mellas Gedanken rasten. Hier, oberhalb des Canyons, befanden sie sich in einem Dschungel mit fünfzig Meter hohen Bäumen, und der Nebel reichte bis zum Boden. Seit Parkers erstem Anfall hatte sich der Canyon stark verschmälert, aber er war frei von Nebel gewesen. Es schien die einzige Möglichkeit zu sein. Mellas erinnerte sich an eine breite Stelle, kurz bevor Kendall sie vom Fluss weggeführt hatte. Über Funk rief er Fitch.
Zehn Minuten später ging Vancouver ihnen voran zum Fluss hinunter. Parker und Challand, der Junge aus Kendalls Zug, wurden in behelfsmäßigen Tragen aus Ponchos transportiert. Parker stöhnte unentwegt, weshalb sie ihm ein Stück seines Hemdes in den Mund steckten.
Mellas und Vancouver traten ein Stück weit vor den anderen aus dem Dschungel heraus an den Rand des Canyons. Sie befanden sich gut zwölf Meter oberhalb des Flusses. Mellas sank der Mut. Lag das flache Stück von hier aus flussauf- oder flussabwärts? Er sah auf seine Uhr. Eine Stunde bis Tagesanbruch. Sie hatten zwei Stunden bis zum Fluss gebraucht. Er wusste, es war ganz in der Nähe, aber wenn nicht? Möglich, dass sie im Dunkeln im Fluss festsaßen und sich in die falsche Richtung bewegten. Sie würden sowohl Parker als auch Challand verlieren. Jetzt kam es auf ihn an.
Er kauerte sich über seine Karte und verbarg damit den trüben roten Schein seiner Taschenlampe. Vom Wind bekam er einen kalten Rücken. Er starrte angestrengt in die Dunkelheit und versuchte, irgendein Geländemerkmal zu erkennen, das ihm dabei helfen würde, die richtige Entscheidung zu treffen.
Man hörte ein lautes Ächzen und das Geräusch herabkullernder Steine, als die Krankenträger aus dem Dschungel auftauchten. Jackson trat auf ihn zu. »Der Doc sagt, wir müssen Parkers Temperatur unbedingt senken, Sir. Parker redet nur noch wirres Zeug.«
»Holen Sie das Seil«, sagte Mellas. »Wir lassen ihn gleich hier über die Kante runter. Ich glaube, wir müssen der Stelle ziemlich nah sein.«
»Hier?«
»Ja, hier, verdammt noch mal. Sorgen Sie für eine Absicherung hinter uns.«
Jackson brachte Tilghman, Amarillo, Broyer und Pollini hinter ihnen bogenförmig in Stellung, damit sie als eine Art menschlicher Stolperdraht gegen etwaige NVA -Truppen fungierten, die sich auf den Lärm zubewegten, den sie machten. Er führte das Seil um einen Baum, und er und Mellas ließen beide Enden in die Dunkelheit des Canyons hinab. Als Mellas es wieder heraufzog, sah er zu seiner Erleichterung, dass beide Enden nass waren. Das hieß, dass der erste Kletterer den Canyonboden sicher erreichen würde. Es hieß außerdem, dass der Fluss unmittelbar an der Felswand verlief und die breitere Stelle daher woanders lag.
Ohne den Befehl dazu erhalten zu haben, schlang sich Vancouver das Seil um die Hüfte, trat rückwärts über die Kante und verschwand. Mellas legte sich auf den Bauch und versuchte, Vancouvers Abstieg im Dunkeln zu beobachten. Das Seil erschlaffte. Vancouvers Stimme drang herauf. »Es ist gar nicht mal schlecht, Lieutenant. Da ragen sogar ein paar Felsen aus dem Wasser.«
Drei andere ließen sich über die Kante hinunter, um für eine Absicherung zu sorgen, zwei stromaufwärts, zwei stromabwärts. Dann ließen sie Parker und Challand aufs Wasser hinab. Bald blieben nur noch ein sehr verängstigter Broyer und Tilghman zurück, um die Stelle abzusichern, wo das Seil befestigt war.
Fredrickson und Cortell zogen Parker bis auf
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