Matterhorn
Artilleriebasis auszuwählen. Sie wussten bloß nicht, dass General Neitzel ein Mensch war, der in der Überzeugung lebte, dass er Berge versetzen konnte und dass er seine Marines dorthin beorderte, wohin er wollte, unabhängig von irgendwelchen Naturgegebenheiten. Die Pioniere sprengten den Berggipfel einfach mit Plastiksprengstoff und Dynamit ab, bis er so breit war, dass er den Anforderungen genügte.
Der normale erschöpfende Trott, für die Absicherung einer Feuerunterstützungsbasis zu sorgen, wurde wieder aufgenommen. Der lange Hungermarsch – mittlerweile »Operation Pfad der Tränen« getauft – entrückte in die Vergangenheit. Die Tage waren erfüllt von der nervenaufreibenden Routine der Spähtrupps und nächtlichen Horchposten und der stumpfsinnigen Arbeit, Stacheldraht auszulegen, mit K-Bar-Messern Schussfelder frei zu hacken, Schützenlöcher zu graben, Stellungen auszubauen, zu essen, zu scheißen, zu trinken, zu pinkeln, einzunicken, gegen den Schlaf anzukämpfen. Trotzdem war es immer noch besser als das Marschieren.
Manchmal fand Mellas Zeit, allein am Rand der Felswand zu sitzen. An Tagen, an denen der Gipfel aus den Wolken auftauchte, konnte er bis nach Nordvietnam schauen. Schwarze Wolken zogen langsam an ihm vorbei. Weit unten konnte er die von Dschungel bedeckte Rinne eines kleinen Flusses sehen, der sicherlich in den Ben Hai im Norden mündete. Unterwegs nahm dieser Fluss den Niederschlag von Sky Cap und Tiger Tooth auf, dem gewaltigen Berg, der südöstlich von ihnen aufragte.
Weil die Spähtrupps so lange brauchten, um von Sky Cap ab- und wieder hinaufzusteigen, blieb ihnen keine Zeit, die Entfernung bis zum Fluss zurückzulegen, aber dessen Möglichkeiten beschäftigten Mellas. Sein gewundener Verlauf übte die Faszination einer tödlichen Schlange auf ihn aus. Tage verstrichen, und Mellas kam immer wieder zum Rand der Felswand zurück, um in das Flusstal zu starren und sich Tagträumen von Ruhm und Anerkennung hinzugeben. Eines Abends wusste er dann, was er wollte.
Fitch flachste in leisem Flüsterton mit Pallack und Relsnik, als Mellas den Kopf in den Unterschlupf aus tropfnassen Ponchos steckte. Es war zu dunkel, um jemanden zu erkennen.
»Ich habe eine Idee, Jim«, sagte er.
Fitchs Stimme kam aus der Dunkelheit. »Okay. Und die wäre?«
»Sie kennen doch den Wasserlauf nördlich von hier, der in den Ben Hai mündet?«
»Ja«, sagte Fitch unsicher.
»Nagoolian muss dort alle möglichen Pfade angelegt haben. Die hat er schon für den Angriff auf Con Thien letztes Jahr gebraucht. Falls die jemals Quang Tri nehmen wollen, ohne mit Panzern über die DMZ zu kommen und von Navy-Fliegern, Army-Panzern und Artillerie zu Hackfleisch verarbeitet zu werden, bleiben ihnen nur zwei Möglichkeiten: Mutter’s Ridge halten, und das bedeutet Versorgung über die Pfade entlang dem Ben Hai, oder uns aus Vandy und dem Rockpile rausschmeißen, die Route 9 runterzubrettern, Cam Lo anzugreifen und Quang Tri von Westen her zu nehmen.«
»Mellas«, fragte Fitch geduldig, »was wollen Sie?«
»Ich finde, wir sollten dieses Tal erkunden. Es ist wie ein Supermarkt an einer Landstraße.«
»Der Ben Hai ist keine Landstraße, Sir«, sagte Relsnik ruhig.
»Aber die Gooks haben dort jeden Kilometer eine Mautstation«, mischte sich Pallack ein, »und die Mautgebühr ist ziemlich happig.«
»Ich habe nicht vor, den Ben Hai runterzugehen«, sagte Mellas. Er wandte sich Fitchs Stimme zu. »Es wäre eine gute Abschirmaktion, falls jemand das Tal raufkommt, um uns anzugreifen.«
»Scheiße, ja, und Sie wären der Schirm und bekämen überall Löcher«, sagte Pallack.
Fitch blieb stumm.
»Es könnte nichts schaden, dem Bataillon zu zeigen, dass wir die Initiative ergreifen«, fügte Mellas hinzu.
Nach einem weiteren längeren Schweigen sagte Fitch: »Okay. Wenn Sie Leute finden, die so verrückt sind, dass sie mitwollen, dann nur zu. Nehmen Sie Daniels mit, wenn er will. Wie lang wollen Sie wegbleiben?«
»Ich rechne mit drei Tagen.«
Mellas kramte seine Karte hervor, und Fitch schaltete seine Taschenlampe ein. Ein schwaches rotes Licht erhellte das Innere der Hütte. Mellas sah Pallack und Relsnik, die sich, in ihr Ponchofutter gehüllt, neben ihren Funkgeräten zusammengerollt hatten.
Am nächsten Morgen hatte der Erste Zug Palastwache, während Gruppen aus dem Zweiten und Dritten Zug zu Spähtruppunternehmen ausrückten. Der Absicherung dienende Außenposten tauchten in den Dschungel an der
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