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Matterhorn

Matterhorn

Titel: Matterhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Marlantes
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Südseite des Berges ein oder bezogen mit Feldstechern an den Bergwänden Position. Arbeitstrupps wurden gebildet, um noch mehr Stacheldraht auszulegen, Müll zu verbrennen und größere Latrinen zu graben. Mellas fragte nach Freiwilligen. Wie erwartet, zogen fast alle die Arbeitstrupps vor. Ebenfalls wie erwartet, war Vancouver der Erste, der sich bereit erklärte mitzukommen. Er überredete Daniels, sich anzuschließen. Mellas hatte erneut verlauten lassen, dass er einen M 79 -Mann mitnehmen wollte. Schließlich tauchte Gambaccini auf und sagte, er komme nur mit, weil Bass gesagt habe, er sei endlich mal dran, sich freiwillig zu melden. Fredrickson fühlte sich moralisch verpflichtet mitzukommen, weil er noch immer der einzige Sanitäter des Zugs war.
    Sie alle nahmen sich an diesem Nachmittag vier Stunden Zeit zum Schlafen. Dann schwärzten sie sich Gesicht und Hände und zurrten ihre Ausrüstung fest.
    In der Dunkelheit brauchten sie über drei Stunden, um – den größten Teil des Weges per Seil – zum Dschungelgrund abzusteigen. Vancouver übernahm die Spitze, diesmal mit einem M 16 anstatt mit seinem M 60 , damit alle ihre Munition untereinander austauschen konnten. Ihm folgte Mellas. Als Nächster kam Daniels mit dem Funkgerät, dann Gambaccini mit dem Granatwerfer. Fredrickson, der die Nachhut bildete, ging beinahe rückwärts, und sein M 16 zielte in die Dunkelheit hinter ihnen.
    Leise bewegten sie sich unter hoch aufragenden Bäumen, die im Dunkeln über ihnen raschelten. Schließlich erreichten sie den Fluss und marschierten daran entlang nach Norden. Sein Geräusch diente ihnen sowohl zur Orientierung als auch dazu, ihre Bewegungen zu übertönen.
    Mellas’ Sinne waren hellwach. Ein Schauer der Erregung überlief ihn. Er fühlte sich wunderbar mächtig und gefährlich. Vancouver an der Spitze. Vier kampferprobte Marines. Daniels, der eine Geschützbatterie zum Einsatz bringen konnte. Falls die Wolken aufrissen, könnten Düsenjäger von Da Nang, möglicherweise auch von Flugzeugträgern im Chinesischen Meer, aufsteigen, um sie zu unterstützen. Sie könnten sogar »Puff the Magic Dragon« von der Air Force anfordern, und er würde von hoch oben seine magischen Feuerströme in Form von 40 -Millimeter-Granaten herabregnen lassen. Er malte sich aus, wie sich seine kleiner Trupp leise an den Feind heranpirschte. Ein Song aus seiner College-Zeit stieg in seiner Erinnerung auf, Ian and Sylvia – treibende Gitarren, intensiver Harmoniegesang –, eine Ballade von Gesetzlosen: »They were armed. All were armed. Three MacLean boys and that wild Alex Hare.«
    In der Dunkelheit konnte Mellas spüren, wie die Fließgeschwindigkeit des Flusses sich verlangsamte, ein Hinweis darauf, dass das Tal sich allmählich verbreiterte, während sie die hohen Gipfel hinter sich ließen. Außerdem wurde das Unterholz dichter, was ihr ohnehin schon langsames Marschtempo noch weiter reduzierte. Über ihnen konnte Mellas gerade noch die dunklen Silhouetten der riesigen Bäume vor der kaum wahrnehmbaren helleren Farbe des wolkigen Nachthimmels ausmachen.
    Plötzlich sank Vancouver auf ein Knie. Alle gingen rasch in die Hocke, die Gewehre in zuvor abgesprochenen Beobachtungsbereichen nach außen gerichtet.
    »Pfad«, flüsterte Vancouver.
    Mellas bewegte sich tief gebückt vorwärts. Seine Hand spürte festgetretene Erde. »Folgen«, flüsterte er.
    Der Pfad verlief, immerzu abfallend, ostwärts, und inzwischen bewegten sie sich rascher von Sky Cap weg. Der Pfad war das, was Mellas gesucht hatte. Er hatte recht behalten. Doch ihm fiel ein, dass sie heute vielleicht nicht als Einzige hier draußen waren. Er versuchte, die nagende Angst zurückzudrängen, und konzentrierte sich darauf, sich möglichst leise zu bewegen. Das Wasser in den Feldflaschen nicht schwappen lassen. Auf die abgeklebten Metallteile an den Trageriemen achten. Mit fest aufgesetzter Ferse nach allem tasten, was ein Geräusch machen konnte. Sich um gleichmäßiges Atmen bemühen. Was würde passieren, fragte er sich, wenn sie auf eine größere Einheit stießen? Er war idiotischerweise davon ausgegangen, dass nachts nur kleinere Einheiten auf den Pfaden unterwegs sein würden. Aber Vancouver würde den Feind zuerst sehen. Sie würden sich rechtzeitig zurückziehen. Allerdings wäre es einfach, sie fünf zu umzingeln. Was, wenn einer von ihnen verwundet würde?
    Mellas zwang sich, positiver zu denken. Sie würden die perfekte Stelle für einen Hinterhalt finden.

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