Matterhorn
dem schlaffen Zelt hinter der Einsatzzentrale. Es war schon dunkel, und es nieselte leicht. Er fühlte sich merkwürdig zufrieden. Vielleicht lag es an dem Rindfleischhaschee, das er gegessen, und dem Kaffee, mit dem er es hinuntergespült hatte. Er stolperte über die Stümpfe mehrerer weggesprengter Bäume und ein paar Spannleinen, bevor er in das Zelt kam. Hawke war allein, saß auf einer Pritsche und wienerte beim Licht einer Kerze seine neuen Stiefel. Nur auf drei der sechs Pritschen lagen Matratzen. Hawkes alte, ausgebleichte Stiefel standen ordentlich unter seiner Pritsche.
»Wozu wienerst du deine Stiefel?«, fragte Mellas. »Du hast sie doch gerade erst gekriegt?«
»Ich kriege einen Orden«, sagte Hawke, ohne aufzublicken.
»Hey, ohne Scheiß? Aber das ist fantastisch. Was für einen?«
»Den Bronze Star.«
»Klasse, Jayhawk.« Mellas macht das Hawk-Power-Zeichen und grinste. Dass Hawke einen Orden bekam, erfüllte ihn mit Stolz.
»Ja«, sagte Hawke, bemüht, sich das Lächeln zu verkneifen. »irgendwie bin ich stolz darauf.«
»Wofür kriegst du ihn?«
»Ach, die blöde Geschichte, wo ich im offenen Gelände rumgerannt bin und Artilleriefeuer von Co Roc auf eine Gook-Artilleriestellung gelenkt habe, die uns bei Lang Vei eingeheizt hat.«
»Davon habe sogar ich gehört«, sagte Mellas.
»Wirklich?«
»Am ersten Tag. Als ich in Quang Tri der Bravo-Kompanie zugeteilt worden bin. Auf der Schreibstube haben sie darüber geredet.«
»Ohne Scheiß?« Hawke erlaubte sich zu lächeln. »Weißt du, Mel, früher habe ich gedacht, ein Orden wäre reiner Quatsch und dass mir nie was dran liegen würde. Ich habe mich geirrt. Man kommt nicht dagegen an, wenn alle um einen herum anders denken. Also bin ich stolz drauf. Und verlegen macht es mich auch. Ich kenne eine Menge Jungs, die das Gleiche getan und nichts dafür gekriegt haben. Einfache Soldaten. Und dann gibt’s noch den Stabsoffizier, der ein mittelmäßiges Nachschublager in Da Nang geleitet hat, und der kriegt das Gleiche.« Er begann, wild an einem Stiefel herumzuwienern.
Schließlich stellte er den geputzten Stiefel ab und griff nach seinen alten Dschungelstiefeln unter der Pritsche. Er zog sie mit grimmigem Lächeln an, dann legte er die Hände auf die Knie und sah Mellas an. »Ich hab’s satt, auf die beiden irischen Arschlöcher zu warten. Ich habe sechs Sixpacks und eine Flasche Jack Black. Schütten wir uns einen auf die Lampe.«
»Bin dabei«, sagte Mellas.
»Mystery-Tour!«, brüllte Hawke aus voller Kehle und vollführte den Hawk Dance. »Mystery-Tour!« Er holte die Flasche Bourbon aus seinem Marschgepäck und goss Mellas und sich selbst Drinks in zwei schwere weiße Kaffeebecher ein. Er hob seinen Becher, und in diesem Moment teilten sich die Zeltklappen, und die riesige Gestalt von Jack Murphy füllte den Eingang. Mellas hatte ihn zuletzt in erschöpftem Schlaf auf der LZ gesehen, zu der Bravo vom Matterhorn aus geflogen war. Hinter ihm stand McCarthy. Mellas versuchte, das Bild von McCarthy zu verdrängen, wie er zitternd um eine Zigarette bat und seine Männer mit dem zwischen ihnen schaukelnden Toten auf ihn zugewankt kamen. Dann sah er Williams. Dann Parker.
»Hey, hey, hey!« McCarthy schob sich an Murphy vorbei, und er und Hawke begannen, einen geräuschvollen Jig zu tanzen.
»Mellas kennt ihr ja schon«, sagte Hawke, während er kurz innehielt, um Whiskey in zwei weitere Kaffeebecher zu gießen. McCarthy holte eine Flasche Wodka hervor. Murphy hatte einen halben Liter Scotch und mehrere kleine Dosen Sardinen in Öl, außerdem eine Schachtel Ritz-Cracker.
Eine Stunde später konnten sie sich vor Lachen kaum einkriegen, als Mellas mit Hawkes K-Bar-Messer eine Sardinendose zu öffnen versuchte. Schließlich stach er wütend aufs Geratewohl darauf ein, sodass ihm Olivenöl ins Gesicht spritzte.
»Scheiße, Mellas, gib’s auf«, sagte McCarthy lachend.
Nachdem er noch eine Weile wütend darauf eingestochen hatte, packte Mellas die ölige Dose und knallte sie sich gegen die Stirn. »Aaahhh«, seufzte er, während ihm das Öl vom Kinn troff. Den Rücken an Hawkes Bett gelehnt, setzte er sich auf den Zeltboden und schloss die Augen.
»Verdammt noch mal, Mellas«, schrie Hawke ihn an, »du kannst jetzt nicht schlafen, wir fangen doch gerade erst an.« Er verpasste Mellas ein paar leichte Ohrfeigen. Mellas schlug die Augen auf und grinste träge. Hawke goss ihm Bier über den Kopf. »Wir müssen noch sechsunddreißig Bier
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