Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Matterhorn

Matterhorn

Titel: Matterhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Marlantes
Vom Netzwerk:
großen Filmrollendosen unter dem Arm neben dem Projektor.
    »Na schön, wer hat den Scheißgenerator eingeschaltet?« Die Jungs, die Schattenbilder gemacht hatten, tauchten leise in der Menge unter.
    Schweigen trat ein.
    Der Mann sprach erneut, die Stimme ruhig und befehlsgewohnt. »Wenn ich den Schlauberger nicht kriege, der diesen Scheißgenerator eingeschaltet hat, dann gibt’s heute Abend keinen Film.«
    Ein lautes, unzufriedenes Murmeln wurde laut. Der Gunnery Sergeant ließ den Blick hin und her gehen, überrascht von der in der Luft liegenden Aufsässigkeit, aber gerade deshalb noch entschlossener, sich durchzusetzen. »Es ist mir egal, wie lang es dauert, Mädels, bis einer von euch hier antanzt und mir sagt, dass er den Generator angeworfen hat, weil ich den Film nämlich schon gesehen habe. Ich gebe euch noch eine Minute, dann gehe ich.«
    »Scheiß drauf«, sagte Jancowitz leise. Müde stand er auf und drehte sich dem Mann zu. »Ich hab den Scheißgenerator angeworfen, Gunny. Der Film sollte um 1930 losgehen, also hab ich gedacht, ich fange pünktlich an.«
    »Kommen Sie her, Marine.«
    Langsam ging Jancowitz zu dem Gunnery Sergeant. Er konnte die Alkoholfahne des Sergeants riechen. Dieser zückte ein Notizbuch und einen Stift. »Ich will Ihren Namen, Ihren Rang und Ihre Einheit, Marine. Und dann will ich, dass Sie sich von hier verpissen. Ist das klar?«
    Jancowitz gab ihm die gewünschten Informationen und ging weg. Vancouver wollte sich ihm anschließen, aber Janc sagte ihm, er solle zurückgehen und sich den Film ansehen. Ihm war nach Alleinsein.
    Während er die dunkle Straße entlang in Richtung der Zelte ging, dachte er an Susi und hatte das Gefühl, sie oder etwas von ihr, was er in sich trug, geopfert zu haben. Hinter sich hörte er den Film anfangen. Er drehte sich um und sah auf der Leinwand einen unrasierten, in einen mexikanischen Poncho gehüllten Mann, die seitlich herabhängenden Arme an den beiden Revolvern, einen dünnen Zigarillo fest in den Mund geklemmt. Die Musik steigerte sich, während der Mann auf den Weidezaun zuging, auf dem andere Männer saßen, alle mit schussbereiten Waffen. Dann brach auf der Leinwand Gewalt aus, als der Mann seine Revolver zog und alle Männer auf dem Zaun erschoss. Ein spöttisches Johlen stieg von den Marines auf. Jancowitz drehte sich angewidert um und ging weiter. Er hatte recht gehabt – schon wieder ein Scheißwestern.
    Den Mund vor Erstaunen und Nachdenklichkeit leicht geöffnet, sah China zu, wie Jancowitz in der Dunkelheit verschwand. Ihm war klar, dass er gerade etwas sehr Tapferes und Kluges miterlebt hatte. »Stark, dieser Janc, Mann«, sagte er in Gedanken immer wieder vor sich hin. »Stark, dieser Janc.« Ihm fiel ein, dass er und Janc zusammen im Busch gewesen waren, seit er in Nam angekommen war, er aber eigentlich nie mit Janc geredet hatte. Plötzlich wünschte er, Janc wäre sein Freund, aber er wusste, das war unmöglich. Er schaute zu der Stelle, wo Henry bei einer Gruppe Schwarzer saß und sich in ihrer Bewunderung sonnte. Henry schien an Einfluss bei ihnen zu gewinnen, während er selbst, China, es überhaupt nicht weiterbrachte. Wieder brannte ihm das Gesicht bei der Erinnerung an Henrys Verachtung für die Waffen und daran, wie seine Freunde gekichert hatten. China wusste, dass das Henrys Spiel war und er einfach mitziehen musste. Er hatte zu viel Boden verloren und wusste nicht, wie er ihn zurückgewinnen konnte.
    Während Jancowitz von der Filmvorführung wegging, stand Pollini auf einer Kiste und wusch einen riesigen Aluminiumtopf in dampfendem Wasser ab. Wick, der Marine aus McCarthys Zug, arbeitete neben ihm. Ihre Köpfe waren auf gleicher Höhe, allerdings standen Wicks Füße auf dem Boden.
    »Hätt nie gedacht, dass ich mal gern Töpfe schrubben würde«, sagte Wick.
    »Ich auch nicht«, sagte Pollini. »Der Lieutenant hat mir gesagt, ich müsste nur einen Monat Messedienst schieben.«
    »Nur einen Monat?«, gab Wick zurück. »Scheiße, einen ganzen Monat hast du gekriegt? Mir hat McCarthy nur eine Woche gegeben. Davon hab ich noch zwei Tage übrig, und wenn Alpha bis übermorgen nicht draußen in der Botanik ist, muss ich mit ihnen gehen. Wieso kriegst du einen ganzen Monat?«
    Pollini zuckte die Schultern und grinste – seine Reaktion auf jede Situation, mit der er nicht umgehen konnte.
    »Ich sag dir, warum du einen ganzen Monat gekriegt hast«, sagte Wick, eindeutig erbost über die Ungerechtigkeit der Situation.

Weitere Kostenlose Bücher