Matterhorn
Bewusstsein.
Mellas betete nicht, doch wieder erhob sich sein Geist über die Landezone, sah unter sich die gesamte Eye-Corps-Region und machte sich auf die Suche nach etwas Besserem als Gott – einem guten Hubschrauberpiloten.
Auf dem Flugplatz der MAG - 39 knapp außerhalb von Quang Tri verlor First Lieutenant Steve Small gerade gegen seinen Kopiloten Mike Nickels beim Acey-Deucey. Small kam es vor, als hätte die derzeitige Partie keinen Anfang und kein Ende. Sie war ebenso sehr Teil des Lebens bei der Marine Air Group wie der Schotter überall, wie nass geschwitzte Fliegeroveralls, billiger Bourbon, sandige Laken, mit Schuldgefühlen verbundene Masturbationsfantasien, beschissene Filme und die unterschwellige Angst, dass der nächste Flug derjenige war, bei dem einem das 51 er der Gooks den Arsch bis zum Mund aufreißen würde.
Smalls CH - 46 wartete im Dunkeln, seine Zwillingsrotorblätter von ihrem eigenen Gewicht nach unten gebogen. Crew-Mitglieder dösten auf Tragbahren zwischen MG -Munition und Kisten mit Infusionsflüssigkeit. Die Brustpanzerung, die Small an den Schultern hing, kam ihm schwerer als sonst vor. Vielleicht hatte er im Offiziersklub zu viel getankt. Andererseits hatte er vielleicht auch nicht genug getankt. Er hatte schon so viele Flugstunden mit dem verdammten Vogel auf dem Buckel, dass es keinen Unterschied machte, ob er besoffen flog oder nicht. Das Ding schien sich selbst zu fliegen. Nachts träumte er von der Maschine, spürte die wirbelnden Rotorblätter und übelkeiterregenden Sprünge, empfand aber auch die große Schönheit, wenn man von einem Berggipfel glitt oder eine perfekte Landung in einer kleinen Zone hinlegte und die Infanteristen ihm entgegengrinsten, angerannt kamen, um die guten Sachen in Empfang zu nehmen, oder mit stumpfen Augen erleichtert vor sich hinstarrten, während sie an Bord warfen, was von ihren Freunden übrig geblieben war.
Das Funkgerät im Bereitschaftsraum quäkte, und der Wachhabende legte seine Auto-Zeitschrift hin, um sich zu melden. Small und Nickels hörten angespannt zu. Small sah auf seine Uhr. Es war 0217 . Keine Hoffnung auf Tageslicht. Wieder Big John Bravo. Ein Notfall. Matterhorn. Wetter fürchterlich. Dieselben Typen, die die briefmarkengroße Landezone aus Sky Cap herausgeschnitzt hatten. Dieselben Blödmänner, die er über die gesamte westliche Provinz von Quang Tri geflogen hatte, um diesen durchgeknallten rothaarigen Infanterie-Lieutenant und seine völlig überladenen Ersatzleute in die größte Scheiße zu befördern, die er in fast zehn Monaten gefechtsmäßiger Fliegerei zu Gesicht bekommen hatte. Und die armen Schweine waren immer noch zugange. Jesus Christus, was für eine Scheiße, dachte er. Dann fragte er sich, warum die christliche Gottheit als Fluch so viel befriedigender war als die jüdische Gottheit seiner Kindheit. Angefangen hatte das alles, als er herausfand, dass Art Buchwald während des Zweiten Weltkriegs beim Vierten Marine Aircraft Wing gewesen war. Scheiße, was dachte er denn da? Das alles ging ihm durch den Kopf, während er und Nickels auf die Tür zurannten. Es nicht zu versuchen, kam nicht infrage.
Das Geräusch ihrer rennenden Füße weckte die Crew. Small begann sofort mit Inbetriebsetzungsprozeduren, während Nickels über Funk die Artilleriefreigabe anforderte, damit sie nicht abgeschossen wurden, wenn sie an den großen Hundertfünfundsiebzigern der Army in der VCB und den Achtzöllern vorbeiflogen, die von Red Devil aus Nachteinsätze schossen.
Die Maschinen heulten auf. Die Rotorblätter drehten sich träge. Anzeigen leuchteten vor den beiden Piloten. Small rollte auf die Startbahn hinaus. Der Rumpf zitterte. Das Dröhnen nahm so stark zu, dass nur noch der Funk in ihren Helmen zu hören war. Der Vogel bewegte sich im Dunkeln vorwärts und hob sanft vom Boden ab. Vereinzelte Lichter trübten sich rasch im Dunst hinter ihnen und verschwanden dann. Bis auf den matten grünen Schimmer der Armaturen vor ihnen befanden sie sich in völliger Schwärze.
Small schwitzte, aber nicht vor Hitze. Das würde eine harte Nuss werden.
Er bekam einen Kurs von Nickels und hielt eine Höhe von sechstausend Fuß. Schwarze Wolken verdeckten den Himmel über ihm. Unter ihm lagen – unsichtbar, aber von unzähligen Flügen bei Tag deutlich vor seinem inneren Auge – die Ebenen mit ihrem Elefantengras, dem Bambus und den langsamen, trägen Flüssen. Dann kamen die Berge.
»Probier mal, ob du Bravo auf ihrer
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