Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Matterhorn

Matterhorn

Titel: Matterhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Marlantes
Vom Netzwerk:
wusste nicht, wo er hintreten sollte.
    Trotzdem musste die Kompanie in Stellung gebracht werden. Mellas ließ sich auf die Knie nieder und robbte vorwärts, damit er die Anzeichen einer vergrabenen Mine oder eines Stolperdrahts sehen konnte, während er sich von Schützenloch zu Schützenloch schob. Auch die Männer wollten sich einfach nur noch hinsetzen. Mellas scherzte mit ihnen, lobte sie, drohte ihnen. Irgendwann fingen sie an, sich auf dem Berg einzugraben, warfen Tote aus Schützenlöchern, hoben halb verschüttete Schützengräben wieder aus. Andere kämpften sich mit toten Marines den Berg hinauf oder halfen, die Verwundeten zu transportieren, damit sie ausgeflogen werden konnten. Fitch forderte Freiwillige, die einen kleinen Teil der Bergkuppe für einen Vogel zur Evakuierung der Verwundeten räumen sollten. Bald formierten sich einige Marines in Reihe, robbten langsam über das Gelände, ihr K-Bar Messer in Händen, stocherten nach Minen und suchten nach Stolperdrähten. Einem wurde der Bauch aufgerissen, als sein Knie eine Druckmine auslöste, die seinem Messer entgangen war. Sie warfen, was von ihm übrig war, auf den Leichenstapel.
    Fitch rief die Actuals zu einer Besprechung zusammen. Mellas ging um den Rand der LZ herum. Rauch nahm ihm den Atem und ließ ihn würgen. Träge trieb er vom Hügel und vermischte sich mit den schweren grauen Wolken, die sich immerzu in Richtung Laos wälzten.
    »Gute Arbeit, Mel«, sagte Fitch. Er wirkte abgezehrt und verstört. Hawke und Goodwin saßen im Schneidersitz, die Ellbogen auf die Knie gestützt. Sie starrten ins Leere.
    »Hamilton ist gefallen«, antwortete Mellas. »Er hat mein Funkgerät getragen.« Er hatte keine Ahnung, warum er redete. Er musste es einfach jemandem sagen. »Ist Conman okay?«, fragte er Hawke.
    Hawke nickte.
    Fitch betrachtete Mellas genauer. »Du musst evakuiert werden«, sagte er.
    Mellas gab keine Antwort. Mit seinem noch funktionierenden Auge schaute er hinüber zum Helicopter Hill. Er sah Leute in hellgrünen Kampfanzügen, die durch Feldstecher zu ihnen herübersahen.
    »Die elenden Schweine haben gejubelt«, sagte Mellas ganz leise.
    »Hey«, sagte Hawke und berührte Mellas an der Schulter. »Es ist okay. Sie haben’s ja nicht gewusst.«
    Relsnik kam mit dem Funkgerät und gab Fitch den Handapparat. »Big John Six, Skipper«, sagte er.
    Die Stimme des Colonels war forsch und geschäftsmäßig. »Roger, Bravo Six. Ich will die genauen Todeszahlen und Ihren Gefechtsbericht. Die Vögel zur Evakuierung Ihrer Verwundeten stehen bereit. Ist Ihre Landezone schon sicher? Over.«
    »Noch nicht. Over«, sagte Fitch tonlos.
    »Großartig, das Ganze. Ich wollte, ich hätte eine Filmkamera gehabt, das ist alles, was ich sagen kann. Big John Six out.«
    Fitch warf den Handapparat neben Relsnik auf den Boden. »Er hätte gern eine Scheißfilmkamera gehabt«, sagte er. Er starrte über die kleine Senke hinweg in Richtung Helicopter Hill.
    Mellas folgte Fitchs Blick, im Kopf ein wildes Durcheinander von Bildern. Wie die Kompanie, zu erschöpft zum Weitergehen, dennoch weitergegangen war. Hilflos zugesehen hatte, wie die Bomben auf der anderen Seite des Bergs niedergegangen waren. Der idiotische Jubel – als ob ein Gefecht ein Footballspiel am Freitagabend wäre. Simpsons unglaublicher Befehl während des langen Marsches auf Sky Cap, dass es keine Evakuierung von Verwundeten mehr geben würde. Hippy, verkrüppelt. Die wahnsinnige Schinderei. Die Idiotie. Wie dem neuen MG -Schützen das Blut aus dem Bein quoll. Und Jacobs aus dem Hals. Wozu? Welchen Sinn hatte das Ganze?
    Mellas’ noch funktionierendes Auge konzentrierte sich auf die kleine Gestalt in dem sauberen Tarnanzug. Er sah nur den Colonel. Die sechshundert Meter, die zwischen ihnen lagen, schrumpften zu nichts zusammen. Mellas beschloss, ihn umzubringen.
    Er humpelte langsam von der Gruppe weg. »Hey, Jack«, rief Goodwin, aber Fitch legte ihm die Hand auf den Arm und hielt ihn zurück. Hawke sah Mellas mit verständnisloser Miene nach. Mellas ging zwischen Hawkes Stellungen hindurch den Berg hinunter. Er erwiderte kaum die Grüße von Conman und dem Dritten Zug, die gerade dabei waren, sich einzugraben.
    Knapp jenseits der Stellungen lud Mellas sein Gewehr durch und sicherte es. Er schob sich in das Gesträuch, bewegte sich auf den Ausläufer hinab, näher an den anderen Berg, gleichgültig gegen die Gefahr. Er fand einen umgestürzten Baumstamm, stellte sein Visier auf die Entfernung

Weitere Kostenlose Bücher