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Matterhorn

Matterhorn

Titel: Matterhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Marlantes
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ein, fand Vergnügen daran, genau das zu tun, was man ihm auf dem Schießstand beigebracht hatte. Er suchte sich eine bequeme Lage. Der trübe graue Morgen schien ewig. Die Zeit war bedeutungslos. Es gab nur noch die kleine Gestalt des Colonels weit oberhalb von ihm auf dem entlaubten Hang. Er stellte den Sicherungshebel auf Feuerstoß. Er war sich sicher, dass er den Colonel mithilfe der Leuchtspurgeschosse erwischen würde. Er beugte sich über das Gewehr und verdrehte leicht den Hals, damit sein noch funktionierendes Auge den Lauf entlangvisierte. Der Colonel wandte sich von ihm ab. Mellas wartete. Er wollte, dass der Scheißkerl die Geschosse auf sich zukommen sah, bevor sie ihn zerrissen, damit er Bescheid wusste, so wie auch Jacobs Bescheid gewusst hatte. Der Colonel sprach immer noch. Mellas wartete geduldig wie ein Tier. Die Zeit blieb stehen. Nur diese eine Aufgabe. Darauf warten, dass der Scheißkerl sich umdrehte, damit er die Kugeln kommen sah. Dann, endlich, begann Simpson sich umzudrehen.
    Hinter sich hörte Mellas jemanden heiser schreien. Dann landete Hawke der Länge nach auf ihm und drückte das Gewehr nach vorn, während Mellas den Abzug betätigte. Die Kugeln wühlten die Erde vor ihnen auf. Wütend holte Mellas aus, um nach Hawke zu schlagen. Hawke rollte sich von ihm weg, keilte dabei kräftig aus und schlug ihm das Gewehr aus den Händen. Mellas schwang die Faust, traf Hawke mitten ins Gesicht und stand auf, um sich nach seinem Gewehr umzusehen. Dann war auch Hawke wieder auf den Beinen und stand schwer atmend vor ihm, hatte sein Gewehr zwar nicht direkt auf Mellas gerichtet, war aber offensichtlich bereit, sich zu verteidigen.
    »Verdammt noch mal, Hawke. Scher dich zum Teufel!«
    Hawke sagte nichts, sondern beobachtete Mellas nur wachsam.
    Mellas begann zu schreien. »Der Scheißkerl hat sie alle umgebracht. Simpson hat uns ohne Luftunterstützung da raufgeschickt, damit er eine Show geboten kriegt. Er hat uns zugesehen, wie wir gestorben sind. Der Scheißkerl verdient es nicht zu leben. Zum Teufel mit dir, Hawke. Zum Teufel mit dir und deinem Scheiß … – deinem – ach, zum Teufel mit uns allen.« Er sank zu Boden und starrte ins Leere.
    Hawke legte ihm die Hand auf die Schulter. »Komm schon, Mel, es kann jeden Moment zum Gegenangriff kommen.«
    Mellas folgte Hawke den Hügel hinauf.

Kapitel 19
    D er Gegenangriff fand nicht statt. Die NVA -Truppen bewegten sich in Richtung Laos und deckten ihren Rückzug mit wohlplatzierten Infanterie- und Mörsereinheiten.
    Ein Medevak-Vogel arbeitete sich das Tal hinauf, und Pallack dirigierte ihn auf den Boden. Drei NVA -Mörsergranaten schlugen um den Hubschrauber ein und ließen die Marines, die die Verwundeten heranschleppten, Deckung nehmen. Sie standen sofort wieder auf, schafften die Verwundeten an Bord und rannten dann zu ihren Schützenlöchern, die Helme zum Schutz vor dem Rotorstrahl mit einer Hand angedrückt. Der Helikopter stürzte sich vom Rand der LZ und schoss nach unten in den leeren Raum, während er Fluggeschwindigkeit aufnahm. Ein weiterer Vogel schaffte es bis zu ihnen und nahm die letzten Notfälle mit. Dann kehrte der Nebel zurück. Das bereitete zwar dem Beschuss ein Ende, aber auch weiteren medizinischen Evakuierungen.
    Der Tag verstrich in müdem Stumpfsinn: Sie schleppten tote amerikanische Jungs zu einem Haufen neben der Landezone und tote vietnamesische Jungs zu der Müllgrube am Nordhang.
    Der Senior Squid sagte Fitch, dass Mellas’ rechtes Auge ernsthaft verletzt sei. Es lasse sich nur durch einen sofortigen chirurgischen Eingriff retten, wenn es nicht ohnehin schon verloren sei. Ein solcher Eingriff könne nur auf einem der Lazarettschiffe vorgenommen werden. Mellas sagte Fitch, dass Conman wahrscheinlich den Dritten Zug übernehmen müsse, wenn Hawke zum Bataillonsstab zurückkehre, und ihm sei nicht wohl dabei, den Ersten Zug Jackson oder Cortell zu geben. Ganz gleich, wie viel Kampferfahrung sie hatten, sie waren beide erst neunzehn. Außerdem wären Fitch und Goodwin dann die einzigen Offiziere in der Kompanie. In Wirklichkeit – obwohl er das nicht laut sagte – waren ihm seine Leute einfach zu sehr ans Herz gewachsen, als dass er den Zug in fremde Hände geben mochte. Fitch wusste, dass Mellas recht hatte, was den Mangel an Anführern anging, und soweit er das beurteilen konnte, war das Auge bereits verloren. Also erlaubte er Mellas dazubleiben.
    An jenem Abend zogen Mellas und Jackson ein paar gesplitterte

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