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Matterhorn

Matterhorn

Titel: Matterhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Marlantes
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löschten das Feuer, als schließlich die Dunkelheit hereinbrach.
    Broyer richtete Parker Chinas Nachricht aus, und als dessen Wache in jener Nacht zu Ende war, machte er sich auf den Weg zum Sektor des Zweiten Zuges. Um nicht versehentlich erschossen zu werden, musste er sich halb geduckt, halb robbend bis zur LZ hinauf- und von dort wieder zum Zweiten Zug hinunterarbeiten. In der Finsternis brauchte er dafür knapp eine Stunde.
    Als er bei Chinas Unterschlupf ankam, war der Brother, mit dem China sie teilte, allein und schlief. Wütend schickte er Parker zu dem Schützenloch unterhalb von ihnen. Parker tat wie geheißen und schlüpfte, nachdem er sich zu erkennen gegeben hatte, in Chinas Zweimann-Schützenloch.
    »Pssst«, machte China, der so tat, als hörte er etwas, und nachzudenken versuchte. Der hangaufwärts in ihre Richtung wehende Wind roch nach feuchter Erde und Moos. Knapp zehn Meter vor ihnen wisperte unsichtbares Gestrüpp unter knarrenden Bäumen.
    »Du hast gesagt, du willst mich sprechen«, flüsterte Parker schließlich.
    »Ja.« China dachte immer noch nach.
    »Die haben mich heute Nachmittag gefickt. Richtig übel gefickt, Mann.
    »Du blöder Arsch, halt dein dämliches Maul«, flüsterte China wild.
    »Hey, was ist mit dir los, Mann?«
    »Was mit mir los ist?«, flüsterte China. »Was ist mit dir los, dass du wegen einem Scheißhaarschnitt einen bescheuerten Aufstand machst?«
    »Hey, du hast mir gesagt, Mann …«
    »Ich hab dir gesagt, wir warten erst mal ab und halten uns bedeckt, bis wir einen richtigen Anlass haben. Jetzt fragt sich jeder Brother in der Kompanie, was ich wegen einem bescheuerten Haarschnitt unternehme. Ich hab die Brothers gerade dazu gebracht, dass sie mir die Teile schicken, da kommst du und drehst durch.«
    »Scheiße, die haben mich vor meinen Brothers kastriert, und du sagst, ich hab Scheiße gebaut?« Parker bleckte die Zähne; er konnte seinen Zorn kaum mehr beherrschen. China spürte das; aber mit Parker würde er fertigwerden.
    »Hey, Brothers, regt euch ab, ja?«, flüsterte Chinas Mitbewohner aus dem offenen Eingang des Unterschlupfs. »Demnächst kommt Ridlow und checkt die Stellungen, und wenn ihr euch nicht abregt, macht er uns richtig Feuer unterm Arsch.«
    Parker wurde ruhiger, und China verlagerte sein Gewicht.
    »Hör zu«, sagte China, »die rassistischen Motherfucker kriegen einen Denkzettel verpasst, aber das muss man richtig machen. Hast du verstanden? Man muss es richtig machen. Die Power behalten wir nur, wenn wir unseren Grips zusammenhalten. Hast du verstanden? Und die Brothers zu Hause brauchen Waffen – richtige Waffen.«
    »Ich hab verstanden«, sagte Parker finster. »Ich bring den Motherfucker selber um.«
    »Du bringst keinen um, ohne dass ich es sage.«
    »Scheiße, wenn ich irgendein Schwein umbringen will, dann mach ich das auch.«
    »Hör mir zu, Parker. Wir brauchen dich. Das weißt du. Stimmt’s? Das weißt du. Deine Brothers brauchen dich. Aber was wir nicht brauchen können, ist, dass du einen umbringst, wenn es gar nicht um einen richtigen Showdown geht. Das können wir nicht brauchen. Solche Sachen lässt du mich und Henry entscheiden. Wir kriegen das klar, wenn wir das nächste Mal in der VCB sind.«
    »Scheiße. Die VCB haben wir seit zwei Monaten nicht mehr gesehen. Wie kommst du auf die Idee, dass wir da hinkommen? Bevor du Henry zu sehen kriegst, ist er längst zu Hause. Scheiße.«
    »Das klappt schon, Parker. Du musst einfach lernen, den richtigen Zeitpunkt abzuwarten. Wir haben Zeit. Und jetzt lass mich drüber nachdenken, was ich in der Sache unternehme, okay? Heute Nacht denk ich drüber nach, und morgen rede ich mit den Brothers. Okay?«
    »Okay.«
    »Du hast das gut gemacht, Brother. So für sich einzustehen, braucht Mut. Tut mir leid, dass ich dich so angefahren hab. Aber hier steht nun mal ’ne Menge auf dem Spiel. Hast du verstanden? Da können wir uns keine Spielchen leisten.« China kicherte, und Parker blieb nichts mehr zu sagen.
    Er tastete sich auf allen vieren zu seinem eigenen Schützenloch zurück und ließ China in tiefster Finsternis allein. Dieser brauchte den Rest seiner Wache – und übernahm sogar noch die seines Mitbewohners –, um sich darüber klar zu werden, wie er mit der Situation umgehen sollte. Er musste dafür sorgen, dass so etwas Triviales wie ein Haarschnitt in den Hintergrund rückte. Cassidy schien das naheliegende Ziel zu sein. Cassidy, nicht der Scheißhaarschnitt, war die Lösung

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