Matterhorn
des Problems. Er würde gleich morgen früh vor dem Spähtrupp mit den Brothers reden.
China redete gleich am Morgen mit den Brothers. Mellas sah ihn reden und machte sich Sorgen. Als er zur Ersten Gruppe hinunterging, um mit ihr zum Spähtrupp auszurücken, war Mole auffällig spät dran: Er reinigte vor versammelter Mannschaft noch immer sein Maschinengewehr, zupfte winzigste Fusseln ab. An seinem kaffeebraunen Hals hing die schwere Nylonschlinge.
Mole, eins fünfundachtzig groß und von athletischer Figur, sah nicht wie ein »Maulwurf« aus. Den Spitznamen hatte er bei der Operation in der DMZ bekommen. Connollys Gruppe war festgenagelt worden, und Mole war dem Feind in die Flanke gefallen und hatte sich dabei hinter Steinen und Buschwerk so dicht am Boden bewegt, dass der Rest der Gruppe schwor, er habe sich in die Erde gebohrt. Er hatte das Feuer auf die NVA -Einheit eröffnet, zwei getötet und den Rest zersprengt. Der Skipper hatte ihn für einen Bronze Star vorgeschlagen.
»Wollen Sie das Ding auch noch Bäuerchen machen lassen, Mole?«, fragte Mellas, um einen leichten Ton bemüht.
Mole fuhr fort, die Waffe zu reinigen. »Das Gewehr muss man gut pflegen, Sir«, murmelte er, »besonders wenn wir die Scheißteile nicht kriegen, die wir anfordern.«
Mellas ging neben ihm in die Hocke. »Sind Sie wegen irgendwas angepisst, Mole?«
»Nein, Sir. Mach nur meinen Job.« Mole beäugte das schwere Verschlussgehäuse der Waffe.
Mellas hatte keine Lust, ihn auf das Haarschneideproblem anzusprechen, und sah auf seine Uhr. »Hören Sie, Mole, wir haben schon fünf Minuten Verspätung. Halten Sie sich ein bisschen ran, ja?«
Mole gab einen Grunzlaut von sich und schloss den Deckel mit dem Zuführer. Mellas stellte sich zu Connolly und Vancouver; zur Gruppe zählten außerdem Daniels, der Artilleriebeobachter, Pat, der Schäferhund sowie Corporal Arran, der Hundeführer. Alle überprüften ihre Waffen, stellten ihr Gurtzeug ein, stopften sich fürs Mittagessen bevorzugte C-Rationen in die Taschen und tranken ein letztes Mal aus ihren Feldflaschen, bevor sie sie auffüllten – all jene nervösen Rituale, die man durchläuft, damit das Ich angesichts des drohenden Todes weiterfunktioniert.
Mellas spürte eine Aufwallung von Stolz, dass Vancouver in seinem Zug war. Er erinnerte sich deutlich an seine erste Begegnung mit ihm, obwohl er zu der Zeit noch nicht wusste, mit wem er es zu tun hatte. Es war in der Vandegrift Combat Base gewesen, während er auf einen Hubschrauber wartete, der ihn und Goodwin zum Matterhorn fliegen sollte. Mellas erinnerte sich vor allem an den nicht enden wollenden Nieselregen, die Langeweile, gepaart mit nervöser Energie, an durchweichte C-Ration-Schachteln, den Geruch von JP 4 -Treibstoff und an Pissoirrohre, die im lehmigen Boden steckten. Aber Mellas hätte am liebsten den Rest seiner Tage damit verbracht, dort im Morast zu liegen. Die schmutzige, verwahrloste Landezone der VCB war ein Ort, wo man überlebte, wo der gefürchtete Busch in der Zukunft lag, jenseits der Rampe des Hubschraubers. In der VCB konnte man zusehen, wie die Hubschrauber ohne einen abflogen. Dort musste man nicht durch das dunkle, von Aluminium eingefasste Portal in den unbekannten Schrecken des Busches treten.
Trotzdem hatten der Regen und die Langeweile selbst Goodwin am Ende des Tages mürbe gemacht. Alle dösten sie im grauen Licht, Nieselregen ging auf sie nieder, und sie waren abgestumpft von der Warterei und von ihrem Verlangen zu vergessen, worauf sie warteten. Dann hatte die Monotonie ein Ende.
Ein einzelner Marine sprang aus dem hinteren Ende eines landenden Hubschraubers und ging langsam über die Landezone auf die ungepflasterte Straße zu, die zur Etappe des Regiments führte. Der Mann war eins fünfundachtzig bis eins neunzig groß, aber seine Größe war nicht annähernd so interessant wie das abgesägte M 60 -Maschinengewehr, das an zwei Gurten über seinen Schultern hing. Normalerweise brauchte man zur Bedienung eines M 60 zwei Mann. Die Dienstvorschrift sah dafür sogar eine dreiköpfige Mannschaft vor. Ein primitiver Griff war an den Lauf geschweißt worden, damit der Marine den Rückstoß abfangen konnte; so musste er die Waffe nicht auf ein Zweibein stützen. Zwei Blechkisten Maschinengewehr-Munition hingen auf seiner Brust. Zusätzlich zu diesem ganzen Gewicht trug er, wie Mellas vermutete, das übliche volle Marschgepäck des Marine im Busch: Schlafsack, Proviant, zusätzliche Kleidung,
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