Matterhorn
und seine C-Rationen auf. Gib dem Lieutenant sein Gewehr, damit er sich nicht ständig meins ausleihen muss. War er heute Nacht als Horchposten eingeteilt oder so was?«
»N-nein, wir h-hatten heute Sp-pähtrupp“, sagte Jacobs. Sein längliches, normalerweise aber ruhiges Gesicht trug einen besorgten Ausdruck, und seine Schultern waren nach vorn gesackt. Vor ein paar Sekunden war er noch Truppführer gewesen; jetzt hatte er die Gruppe.
Mellas machte den Mund auf, um zu sagen, dass die Entscheidung, wer vorübergehend die Gruppe übernehmen würde, bei ihm lag, doch er erkannte, dass sie bereits von Bass getroffen worden war. Er machte den Mund wieder zu. Er wusste, wenn er den Vorgesetzten heraushängte, würde er das bisschen Autorität, das er zu haben schien, umgehend wieder einbüßen.
Fredrickson wandte sich an Mellas. »Ich denke, wir sollten ihn zur LZ hochschaffen. Er wird es ziemlich bald spüren. Keine Ahnung, bis wann es der Hubschrauber schaffen wird.« Er blickte zu dem dunklen, wirbelnden Dunst auf. »Wenn er nicht schnell kommt, weiß ich nicht, was passiert. Da drin geht garantiert irgendwas kaputt, und wenn ihm das Biest die Niere ruiniert oder sich in ihm selbständig macht …« Er schüttelte den Kopf und senkte den Blick auf seine Hände. »Mit inneren Organen kenne ich mich nicht so aus. In Feldmedizin haben wir das nie gehabt.«
»Was ist mit dem Senior Squid?«, fragte Mellas; er sprach von Sheller, dem Kompanie-Sanitäter, Fredricksons Boss.
»Ich weiß nicht. Er ist zwar ein HM - 2 , aber ich glaube, er hat immer nur im Labor gearbeitet. Er ist nur hierher versetzt worden, weil er jemand beim Fünften Medizinischen angepisst hat. Er ist eine Woche länger hier als Sie.«
»Der ist nicht zu gebrauchen«, fauchte Bass.
»Warum sagen Sie das?«, fragte Mellas.
»Er ist ein fetter Arsch.«
Mellas, der keine Antwort gab, fragte sich, was es brauchte, um sich Bass’ Wohlwollen zu verdienen. Am Tag seiner Ankunft, als er nur den verzweifelten Wunsch verspürt hatte, von allen gemocht zu werden, hatte Bass es ihm nicht leicht gemacht. Bass hatte den Zug fast einen Monat lang ohne Lieutenant geführt und versäumte nicht, darauf hinzuweisen, dass er seine erste Dienstzeit in Vietnam abgerissen hatte, als Mellas gerade ins College eingetreten war.
»Da kommt er schon«, sagte Fredrickson. Sheller, der wie alle Kompanie-Sanitäter den Spitznamen Senior Squid trug, kam schnaufend den Hang herunter, seine neuen Tropenkampfstiefel noch so schwarz wie die von Mellas, sein Kampfanzug noch nicht von Regen und ständigem Gebrauch ausgebleicht. Er hatte ein rundes Gesicht und trug eine standardmäßige Navy-Brille mit schwarzem Gestell und auf dem Kopf einen neuen Buschhut. Unter den dünnen, sehnigen Marines wirkte er auffällig fehl am Platz.
»Was ist los?«, fragte er aufgeräumt.
»Es geht um Fisher«, erwiderte Fredrickson. »Er hat einen Blutegel in der Harnröhre.«
Sheller schürzte die Lippen. »Das klingt nicht gut. Keine Möglichkeit ranzukommen, nehme ich an. Kann er urinieren?«
»Nein«, sagte Fredrickson. »Daran haben wir’s überhaupt erst gemerkt.«
»Wenn er pissen könnte, bräuchten wir Sie nicht«, knurrte Bass.
Sheller sah ihn kurz an und senkte den Blick dann rasch auf den Boden. »Wo ist er?«, fragte er Fredrickson.
»Er ist da unten und packt seinen Kram zusammen.«
Sheller ging in die Richtung, in die Fredrickson gezeigt hatte. Fredrickson wandte sich an Bass und Mellas, zuckte die Schultern, als wollte er sagen »Was soll’s?«, drehte sich um und folgte ihm. Bass schnaubte verächtlich. »Fetter Arsch.«
Sheller ließ Fisher erneut die Hose herunterlassen. Er fragte ihn, wann er das letzte Mal uriniert hatte, dann schaute er kurz in den Himmel und auf seine Uhr. Er wandte sich an Mellas. »Er muss evakuiert werden. Als Notfall. Ich rede mit dem Skipper.«
»Beeilung, Fisher«, sagte Bass. »Du kommst raus aus dem Busch. Beweg deinen Hintern rauf zur LZ .«
Fisher grinste, machte sich auf den Weg zurück zu seinem Unterschlupf und zog sich dabei im Gehen die Hose hoch. Bass wandte sich den Schützenlöchern zu und rief durch den Trichter seiner Hände. »Wenn wer Post hat, die rausgehen soll, dann gebt sie Fisher. Er wird evakuiert.« Sofort setzte allgemeine Hektik ein. Leute verschwanden in Unterständen und Schützenlöchern, wühlten in den Taschen und Plastikbeuteln, die sie verwendeten, um ihre Briefe trocken zu halten.
»Jacobs«, rief Bass, »sag
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