Matti & Dornröschen 01 - Das Dornröschen-Projekt
ohne hinzuschauen.
Dornröschen stand schräg hinter Twiggy und starrte auf den Monitor.
Endlich war das Programm heruntergeladen, und Twiggy installierte es. Dann startete er die CAD -Software und öffnete eine Datei von der DVD .
»Das sind Konstruktionszeichnungen«, sagte Dornröschen.
Auf einem weißen Hintergrund sahen sie dreidimensionale Linienzeichnungen, die sich zu etwas Rundem formten. An einer Stelle waren kleine ineinandergesetzte Kreise zu erkennen. Die Beschriftung war karg. Tube stand da, left profile, und dann war über die Zeichnung ein Haufen von Zahlen verstreut.
»Das kann alles Mögliche sein, eine Konservendose oder ein Industrieschornstein.« Matti flüsterte.
Twiggy öffnete eine weitere Datei. Diesmal handelte es sich offenbar um einen Querschnitt. Wieder eine dürftige Beschriftung und viele Zahlen. »Das ist das gleiche Teil, nur von oben oder von unten.« Dornröschen kaute an ihrem Zeigefingernagel, was höchste Anspannung verriet. Bullen konnten sie nicht dazu bringen, sogar wenn sie zur Gestapozeit auftauchten.
»Klar.« Matti räusperte sich. Er dachte an den Mistkerl, den er am Sony Center abgesetzt hatte. Was mochte das für einer sein? Er kam vermutlich aus Osteuropa, er hatte keine Hemmung, gewalttätig zu werden, und er gab kein Trinkgeld. Ihm kam die Idee, dass der Mann vielleicht gefährlich war, dass er womöglich der Russenmafia angehörte und dass auf der DVD irgendetwas Verbotenes, Geheimes war. »Ob das was mit Rüstung zu tun hat? Ein Kanonenrohr?«
Twiggy zuckte mit den Achseln. Er hatte die dritte CAD -Datei geöffnet, offenbar war es ein Längsschnitt. Er nahm die Hand von der Maus. »Vielleicht ist es auch die neue Marsrakete. Ich werde aus dem Zeug nicht schlau.«
»Und was machen wir jetzt damit?«, fragte Matti.
»Zirkel-Norbi«, sagte Dornröschen. »Der ist Dippel-Ing. Vielleicht hat er ja nicht umsonst studiert.«
»Hm«, brummte Matti.
Twiggy nickte.
Matti schnaubte leise. »Muss das sein?«
»Weißt du was Besseres?«
»Aber er ist …«
»Ein Arschloch«, sagte Dornröschen, »bis zum Haaransatz geladen mit schlechtem Gewissen. Das passt.« Sie gähnte.
»Lass uns das zu Hause diskutieren«, sagte Twiggy.
Sie fuhren zurück in die Okerstraße, Matti versteckte die DVD im Badezimmer.
Robbi stand mit emporgerecktem Schwanz mitten im Flur und starrte die Rückkehrer böse an. Das war seine Protestdemo, die sich aber ohne Polizeigewalt auflöste, als sich in der Küche Twiggys Schoß anbot.
Matti verteilte die Reste des Kaffees in die Becher auf dem Tisch. Die beiden Männer steckten sich Zigaretten an, die Matti gedreht hatte. Dornröschen summte etwas, es klang wie Bella Ciao , aber viel langsamer.
»Wann hast du den zum letzten Mal gesehen?«, fragte Matti.
»Ich habe den nie gesehen«, erwiderte Dornröschen. »Und wenn doch, dann sind alle Erinnerungen gelöscht, und das Gehirn habe ich neu formatiert … aber er hat ein schlechtes Gewissen … nun ja.«
Twiggy zog kräftig an seiner Zigarette und kraulte geistesabwesend Robbi hinterm Ohr. »Ich weiß nicht«, sagte er.
»Er ist abgehauen, das steht fest.« Matti fühlte Säuernis in sich aufkeimen. »Norbert ist ein Feigling. Ein Verräter. Ein Renegat.«
»Aber er wollte bestimmt niemanden verpfeifen, und einen Beweis gibt es dafür auch nicht.« Jetzt klang Twiggy energisch. Robbi erstarrte kurz, hob dann den Kopf und schaute zu den anderen, um sich endlich wieder hinzufläzen wie ein schlapp gefülltes Sofakissen.
»Vielleicht schmeißt er uns raus?« Dornröschen gähnte, hielt mit offenem Mund inne und schloss ihn langsam. »Nein, das traut er sich nicht«, widersprach sie sich. »Du fährst hin«, sagte sie zu Matti. »Aber vorher kopieren wir das Ding noch mal. Warum haben wir das nicht gleich gemacht? Also, ich fahre jetzt in die Redaktion, obwohl es viel zu früh ist, und nehme die Scheibe mit, verstecke sie, und Matti kommt nachher mit dem Taxi und holt die Kopie bei mir ab. Klar?«
Was sollten sie da noch diskutieren?
»Zirkel-Norbi«, brummte Matti dann doch. Er stand auf, ging ins Bad, holte die DVD und gab sie Dornröschen. Die packte sie in ihre Umhängetasche, die im Flur auf der Kommode lag.
»Und ihr räumt jetzt auf«, befahl sie, bevor sie die Tür hinter sich schloss. Dann öffnete sie die Tür noch einmal und steckte ihren Kopf durch den Spalt. »Twiggy, kannst du Gerd Bescheid geben? Der soll den Bullen einheizen. Und ich will meinen Computer wiederhaben,
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