Matti & Dornröschen 01 - Das Dornröschen-Projekt
…«
Der Mann dachte nach. »Ich biete Ihnen drei Millionen für drei Jahre Ausland. Es ist das letzte Angebot.«
»Und wenn wir es nicht annehmen wollen?«, fragte Matti. Der Typ war ihm unheimlich. Niemals würde der so viel Geld bezahlen. Oder doch?
»Dann werden Sie sterben, noch in dieser Woche.« Das sagte er in einem Tonfall, als würde er übers Wetter parlieren.
»Haben wir Bedenkzeit?«, fragte Dornröschen. Sie war noch blasser als sonst.
»Morgen Abend, neunzehn Uhr, hier.« Er erhob sich, nahm seinen Mantel und seinen Hut, nickte ihnen zu und verließ das Lokal.
»Der hat nicht mal bezahlt«, sagte Twiggy.
»So reich, wie wir werden, sollte uns das egal sein«, sagte Matti. Aber eigentlich war ihm nicht nach scherzen zumute.
Dornröschen saß da wie erstarrt, den Löffel ihres Tees in der Hand, und guckte ein Loch in die Luft. Dann hielt sie ihren Zeigefinger an die Lippen und setzte sich auf den Stuhl, auf dem der Mann gesessen hatte. Sie ließ ihre Hand unter den Tisch wandern und tastete, bis sie die Hand hervorzog und kommentarlos ein winziges schwarzes Teil auf den Tisch legte. Es sah ähnlich aus wie der Kopf einer Stecknadel, hatte an einer Seite aber eine kleine Platte mit Klebstoff.
»Ich finde das Angebot eigentlich gut«, sagte sie. Sie gab Twiggy das Teil, und der musterte es und schüttelte den Kopf. Er nahm einen Bierdeckel, schrieb etwas darauf und schob ihn Dornröschen zu. Ist ne Wanze. Dornröschen schob den Deckel weiter zu Matti. Der nickte.
Doch Dornröschen schüttelte den Kopf. »Also, wenn du mich fragst, wir nehmen die Kohle und hauen ab nach Marokko.«
Matti hob die Augenbrauen: »Als Frau in ein islamisches Land, du spinnst. Ich plädiere für Kuba.«
»Tropischer Spätstalinismus im Absaufen«, sagte Twiggy. »Die Knäste dort sollen höchst unkomfortabel sein. Das ist ja auch ein Faktor.«
»Südfrankreich«, sagte Dornröschen.
Matti kratzte sich am Ohr. »Cornwall.«
»Das Essen ist Mist«, widersprach Dornröschen.
Sie schwiegen eine Weile. Dann sagte Matti: »Eigentlich fände ich es wirklich prima, wir würden mal ein paar Jahre abhauen. Früher wäre man zwangsläufig bei den Tupamaros oder so gelandet. Inzwischen hat sich das ja … entspannt.«
Twiggy grinste und warf einen Blick auf die Wanze. Er nahm sie und gab sie Dornröschen, die sie wieder unter dem Tisch befestigte. Dann bezahlten sie, auch den Kaffee des Typen, und gingen in Richtung Okerstraße.
»Woher wusste der, wo wir sind?«, fragte Matti. Er blieb stehen, die anderen auch, und sie bildeten einen Kreis, wie um sich zu unterhalten. Aber sie blickten vor allem in alle Richtungen, ob sie irgendjemanden erkannten. Aber wie sollten sie jemanden erkennen? War es die Frau mit dem Doppelkinderwagen, die an der Fußgängerampel wartete? Das Pärchen, das unschlüssig an der Treppe der U-Bahn-Station stand? Die beiden Türkenbengel, die am Geländer des U-Bahnhofs lehnten und sich einen Weitspuckwettkampf lieferten? Der Typ mit dem Outfit eines Geschäftsmanns und dem lächerlichen Lederaktenkoffer in der Hand, der gerade in seinen Benz einstieg? Die junge hübsche Frau, die ihre Jacke auszog, weil die Sonne die Wolken durchbrach und ihr das trägerlose Seidenkleid warm genug war? Mattis Blick verharrte ein paar Sekunden auf ihr, und er dachte an Lily. An Lily, die so war, wie er sie kannte, und die aber auch so war, wie er sie nicht kannte.
Sie sahen niemanden, der sich verdächtig benahm.
»Ob die wissen, dass wir umgezogen sind?«, fragte Matti.
Keine Antwort.
»Hat jemand den Namen Bäreneck mal ausgesprochen in unserer Wohnung?«, fragte Dornröschen.
Keine Antwort.
»Das wird es sein«, sagte sie. »Wir dürfen auch nicht mehr ins Bäreneck und müssen jetzt hier wegkommen, ohne dass uns einer folgt.«
»Vielleicht haben die den Bulli verwanzt?«, fragte Twiggy.
»Lass ihn einfach stehen«, sagte Dornröschen und erntete einen verzweifelten Blick von Twiggy. »Wir holen ihn ab, wenn alles vorbei ist. Jetzt zu Lissagary. Wo ist die nächste Mietwagenstation?«
Sie fuhren in einem schwarzen Polo eine Weile kreuz und quer durch die Stadt, wobei Matti wenigstens drei Ampeln bei Hellrot passierte, während die anderen nach hinten schauten, aber niemanden entdeckten, der an ihnen dranhing. Am Heidelberger Platz verließen sie die Autobahn, um in einem Baumarkt einen Spaten zu kaufen, und fuhren dann weiter. Über Tegel ging es auf der Stadtautobahn an der Jungfernheide, am Flugplatz
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