Matti & Dornröschen 03 - Ein Mörder kehrt heim
hatte.
»Zwei Bier, einen Korn«, sagte Matti.
»Trinkst du keinen Korn?«, fragte Anja.
»Zwei Korn!«, rief Matti der Wirtin nach. Die nickte, ohne sich umzudrehen.
»Wie schön, dass du weißt, was ich trinke und was nicht«, sagte Anja.
»Wegen des Korns tut’s mir leid«, erwiderte Matti. »Aber wer hier was anderes trinkt als Bier, ist verrückt.«
Sie grinste. »Kronawitter?«
»Ist ein Immobilienhai. Hat er geerbt und noch einiges dazu gekauft. Und ist linker Anwalt.«
»Was es alles gibt. Hat er Ingrid verteidigt?«
»Nein, aber ein befreundeter Anwalt. Die Typen kennen sich untereinander gut. So viele linke Anwälte gibt es nicht mehr. Und Ströbele ist in der Politik.«
»Der radelt hier immer rum.«
Matti nickte.
Die Wirtin trug ein Tablett mit den Getränken heran und stellte sie auf den Tisch. »Zum Wohlsein!«
Matti nahm das Schnapsglas und hielt es vor Anja.
Die stieß mit ihm an und trank es aus.
Er tat es ihr nach und grinste.
»Wann rücken wir dem Kronawitter auf die Pelle?«, fragte sie.
»Am besten gar nicht«, sagte Matti.
»Matti, willst du schon wieder kneifen?«
»Wie bitte?«
»Hast du keine Lust mehr? Oder Angst?«
»Wer sich mit Mördern einlässt und keine Angst hat, ist irre.«
Sie winkte ab, trank einen großen Schluck Bier. »Ist ja gut. Aber du darfst dich nicht beherrschen lassen von der Angst.«
»Danke für die Vorlesung«, sagte Matti.
Sie legte ihre Hand auf seinen Unterarm. »Eigentlich finde ich dich ja toll. Die ganze WG finde ich toll.«
»Du bist ein ausgekochtes Miststück«, sagte er.
Sie blickte ihn verdattert an, dann lachte sie. »So kann man es sehen.« Ihre Hand lag noch immer auf seinem Arm. »Es ist doch kein Risiko, den Kronawitter zu besuchen. Der sitzt in Berlin, was soll’s?«
»Ich will dir sagen, was das Risiko ist. Nicht der Kronawitter, sondern dass wir so lange rumfragen, bis es auch der Letzte weiß. Vor allem der Typ, der Georg getötet hat. Ich überlege mir, was wir davon haben, wenn wir herausfinden, wer Georg umgelegt hat. Verstehst du das?«
Sie zog die Hand weg. »Wir reden über meinen Vater. Kannst du nicht begreifen, dass mir das nahegeht?« Eine Träne zog ihre Bahn vom Augenwinkel zum Kinn.
Sie tranken, und Matti bestellte per Fingerzeig zwei neue Bier.
»Komm, wenn der Kronawitter sagt: Okay, Georg war bei mir. Er wollte sich stellen, aber vorher noch eine Familiengeschichte klären. Gut, dann lass ich dich in Ruhe. Und den Mörder sollen die Bullen suchen.«
»Die Bullen«, sagte Matti, »die suchen gar niemanden.«
Das Bier kam, beide tranken ihre ersten Gläser leer.
»Hier geht es flott«, sagte die Wirtin.
Als sie wieder hinterm Tresen stand und sich von dem Pärchen anlallen ließ, sagte Anja. »Ist schon komisch, plötzlich einen neuen Vater zu haben. Und schon ist er tot.« Wieder eine Träne.
Matti streichelte sie an der Schulter. »Versteh ich«, sagte er. Aber so richtig verstand er es nicht.
»Komm, wir besuchen noch den Kronawitter. Und dann geb ich Ruhe.«
Matti kratzte sich am Ohr. »Na gut.«
Sie neigte sich zu ihm und nahm ihn in den Arm. Ihr Kopf lag an seinem Hals. Das Haar kitzelte. So saßen sie eine Weile, und Matti wurde warm. Sie setzte sich wieder gerade hin, wischte sich die Träne aus dem Auge und blickte Matti an. »Danke.«
Sie tranken schweigend aus. Matti zahlte. Als sie draußen waren, wankte Anja. »Lass uns laufen, ist nicht weit.«
Sie schoben die Fahrräder die Hermannstraße entlang. Sie lag im Dämmerschein der Laternen und der wenigen Schaufenster, die beleuchtet waren. An einem Türkenimbiss stand eine Gruppe junger Männer mit Baseballkappen, umgekehrt aufgesetzt. Neben dem Eingang der Apotheke in der Kienitzer Straße saß ein alter Mann mit Hut auf dem Boden, einen Pappbecher zwischen den Beinen. »Halt mal«, sagte Anja und gab Matti das Rad. Sie warf ein Geldstück in den Becher, der Mann hob nicht einmal den Kopf.
»So möchte ich nicht enden«, sagte sie, nachdem sie ihr Rad wieder neben ihm schob.
»Der Mann wollte auch nicht so enden. Es ist Pech, es kann jeden treffen. Heute, morgen …«
Sie schwiegen bis zum Hauseingang in der Okerstraße.
Twiggy saß in der Küche, Dornröschen tippte in ihrem Zimmer. Es klapperte leise. Twiggy unterhielt sich mit Robbi, der sich darauf beschränkte zu schnurren. Obwohl die WG es manchmal hoffte, wussten doch alle, dass Robbi sein Schweigegelübde nie brechen würde. Der Kater hatte eben Charakter.
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