Matti & Dornröschen 03 - Ein Mörder kehrt heim
nennen. Die aber reichen meines Erachtens aus, um Herrn Jelonek in U-Haft zu behalten, bis das Labor die Untersuchungsergebnisse liefert. Die arbeiten unter Hochdruck und wollen schon morgen was vorlegen.«
Der Haftrichter wackelte mit dem Kopf. »Herr Rechtsanwalt, wenn ich Sie um eine kurze Stellungnahme bitten darf?«
Matti sah Gerds Gesicht erbleichen, seine Verzweiflung wuchs. Wenn schon der Anwalt so beeindruckt war.
»Es handelt sich um eine der wildesten und wirrsten Theorien, die ich in meiner Berufspraxis gehört habe. Sie sollten Drehbuchautor werden, Herr Staatsanwalt. In der Justiz wird Ihre Fantasie nur unterfordert …«
»Kommen Sie zur Sache, Herr Rechtsanwalt«, sagte der Richter mild. In Mattis Ohren klang es so, als hätte der Richter Mitleid mit dem Anwalt.
»Es gibt kein begründbares Motiv, das hat sich der Herr Staatsanwalt zusammengereimt. Es ist so beliebig, dass jeder Anwesende mit wenig Mühe ein ganz anderes Gemälde malen könnte, das genauso überzeugend wäre wie das des Staatsanwalts.«
»Ich kann Ihnen da sogar folgen«, sagte der Haftrichter. »Ich finde dieses Konstrukt auch ein wenig rätselhaft. Was das Motiv angeht, so würde ich gern Überzeugenderes hören. Was bisher vorgetragen wurde, fand ich, mit Verlaub, dünn. Aber, Herr Rechtsanwalt, finden Sie es nicht auch folgerichtig, dass wir Herrn Jelonek noch eine Übernachtung in U-Haft zumuten, bis die Blutuntersuchung abgeschlossen ist?«
»Herr Jelonek hat einen festen Wohnsitz, Fluchtgefahr kann ich nicht erkennen …«
»Es geht um Mord, Herr Rechtsanwalt. Ich kann die Fluchtgefahr nicht ausschließen. Ich muss den Vollzug des Haftbefehls aufrechterhalten.« In seiner Stimme klang Bedauern mit, aber auch Bestimmtheit.
In der Zelle marterte Matti sein Hirn. Wie kamen die fremden Blutspuren in den Bulli? Sie waren vor einiger Zeit mit drei Schutzgelderpressern durch die Gegend gekurvt, aber keiner von denen hatte geblutet. Oder doch? Wenn es nicht einer von denen war, wer dann? Hatte Anja den Schlüssel geklaut und war mit Gerd auf Achse gewesen? Oder hatte jemand den Bulli aufgebrochen und die Blutflecken fabriziert, um Matti zu belasten? Nur, warum sollte ihn jemand belasten? Warum Anja? Er verstand gar nichts. In der Nacht davor hatte er geglaubt, das Gefühl der Hilflosigkeit ganz und gar ausgekostet zu haben. Doch jetzt spürte er, dass es noch gesteigert werden konnte. Wenn es Anja gewesen war im Cassiopeia , warum war sie geflohen? Warum war sie überhaupt abgetaucht? Sie wusste, was er im Volkspark getan hatte. Dass er Georg nicht ermordet hatte. Warum, verfluchte Scheiße, verschwinden alle, erst Georgs Leiche, dann Anja? Er lag fast die ganze Nacht wach. Immer die gleichen Fragen. Nie Antworten. Alles, was er sich zusammenzureimen versuchte, verlor seinen Sinn, bevor er den Gedanken beendet hatte. Alle Gewissheit löste sich auf. Absurdeste Vorwürfe bewahrheiteten sich. Er konnte erwidern, was er wollte. Er log, obwohl er die Wahrheit sagte. Er spürte die Versuchung, sich selbst nicht zu glauben. Vielleicht litt er unter einer Bewusstseinstrübung? Sogar Gerd war bleich geworden, und Gerd, der alle Schlachten geschlagen hatte vor Gericht, der fand die Beweise des Staatsanwalts auch stark. Und für seine Verhältnisse hatte er nur zaghaft protestiert, als der Richter die Untersuchungshaft nicht aufhob.
Was machten Dornröschen und Twiggy? Er fühlte sich so allein. Bestimmt versuchten sie ihm zu helfen, wie es nur ging. Sie mussten ihn bei Ülcan entschuldigen, sonst würde selbst dessen Geduld mit ihm enden. Wenn er jetzt auch noch seinen Job verlor? Alles schien ihm zappendüster.
Dornröschen und Twiggy saßen trübsinnig in der Küche. Sogar Robbi schien traurig zu sein. Er hing schlaff auf Twiggys Schoß. Das Thunfischfutter im Schälchen war unberührt.
Sie hechelten alles noch einmal durch. Aber sie fanden keine Idee, wie sie Matti helfen konnten.
»Alles verschwindet«, sagte Twiggy. »Leichen und Lebende.«
»Lass uns zu Ülcan fahren. Dem müssen wir erklären, wie es ist. Sonst schmeißt er Matti raus«, sagte Dornröschen. »Vielleicht kommt uns auf der Fahrt eine Idee.«
Sie radelten in die Manitiusstraße, Dornröschen weit vorneweg, Twiggy gemächlich hinterher. Dornröschen wartete an der Einfahrt auf Twiggy. Sie schlossen die Fahrräder zusammen und gingen hinein. Als Twiggy die Bürotür öffnete, schlug ihm eine Qualmwand entgegen. Durch den Nebel sah er Ülcan hinterm
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