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Matto regiert

Matto regiert

Titel: Matto regiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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auf die Klinke, das Aufreißen der Tür…
    Beim Fenster stand der welsche Assistent und hob gerade von neuem eine Kartonmappe, um sie mit aller Wucht auf den kleinen Schreibmaschinentisch niedersausen zu lassen, an dem mit rotem, verängstigtem Gesicht die kleine baltische Ärztin saß, die heute morgen den Rüffel wegen des Bundesratsattentäters Schmocker hatte einstecken müssen…
    »Neuville! Lassen Sie die Kindereien!« rief Dr. Laduner streng.
    Dr. Blumenstein saß ganz in der Nähe der Tür und hatte die Füße auf den Schreibtisch gelegt. Er saß bequem zurückgelehnt und rauchte eine Zigarette mit Kartonmundstück. Trotzdem ähnelte er einem Riesensäugling.
    Auf dem Aufsatz, der den Tisch in der Mitte teilte, stand ein Telephon. Dr. Laduner hob den Hörer ab, stellte eine Nummer ein, wartete. In der Stille war deutlich das Knacken zu hören, als am andern Ende abgehängt wurde.
    »Laduner! Ja! Dr. Laduner. Rufet den Jutzeler ans Telephon…«
    Lautloses Warten. Dr. Blumenstein wagte nicht, seine Füße von der Tischplatte zu entfernen. Erst als Laduner mit der Linken eine Schachtel aus seiner Hosentasche gefischt hatte und mit der Zigarette eine auffordernde Geste machte, verstaute Dr. Blumenstein seine langen Beine unter dem Tisch und reichte Dr. Laduner ein angezündetes Hölzchen über den Tisch.
    »Ja?« fragte Laduner ins Telephon. »Ihr seid's, Jutzeler? Nehmet den Gilgen und den Blaser. Holt eine Bahre… Ihr geht dann in die Heizung beim K. Dort werdet ihr den Direktor finden… Wie?… Ja, er ist tot… Gut zudecken, nicht wahr?… Es wird ja nichts nützen, in einer Viertelstunde wird es die ganze Anstalt wissen… Und ihr bringt ihn ins T… Dr. Blumenstein wird die Sektion machen… Ihr könnt helfen, Jutzeler… Übrigens, der Weyrauch soll ins Büro kommen… Ja, das ist alles…« Laduner legte den Hörer auf die Gabel und sagte, zu Studer gewandt:
    »T ist auch eine Abteilung… Im Alphabet kommt das T vor dem U. Bei uns ist das T die letzte Station… Die Totenkammer… Leicht zu merken, wegen des Anfangsbuchstabens…«
    Nach einer Pause, in der alle schwiegen, rutschte er vom Tisch.
    »Blumenstein, Sie stellen die Todesursache fest. Das Protokoll bringen Sie mir… Ein Unglücksfall… Unser Direktor ist in der Heizung über eine Leiter hinuntergefallen…«
    Er schwieg. Die Fenster standen offen. Irgendwo draußen wurde Croquet gespielt, es tönte, wie wenn jemand verträumt immer den gleichen tiefen Ton auf einem Xylophon anschlüge… Und dann begann eine Handharpfe zu spielen… Die Blätter der Büsche vor dem Fenster waren im Schatten so dunkelgrün, daß sie schwarz wirkten…
    »Liebes Kind«, sagte Laduner zu der kleinen Baltin am Fenster, die immer noch, töricht und verstört, die Zeigefinger über den Tasten ihrer Schreibmaschine schweben ließ. »Suchen Sie mir doch bitte die Krankengeschichte des Pieterlen heraus. Und stellen Sie sein Signalement zusammen. Die Akten lassen Sie mir in die Wohnung bringen… Heute abend, Studer, wollen wir über Pieterlen sprechen…«
    Er schwieg.
    Und dann: »Über Pieterlen Pierre, das Demonstrationsobjekt…«
    Dr. med. Ernst Laduner, II. Arzt an der Heil- und Pflegeanstalt Randlingen, ging zu einem Wandschrank, zog seinen Arztkittel über seinen Tennisdreß, und während er bedachtsam mit dem Hörrohr auf den Handteller seiner linken Hand klopfte, sprach er nachdrücklich – und bei den letzten drei Worten hob er den Blick:
    »Im übrigen werden Sie sich in allem – an
mich
wenden!« Es klang, als ob ein Major der versammelten Mannschaft verkündet:
    »Das Bataillon – hört – auf – mein – Kommando!«

Kurzes Zwischenspiel in drei Teilen
1.
    Gehen Sie nur ruhig in die Wohnung hinauf und warten sie auf mich, Sie brauchen nicht zu läuten…« hatte Dr. Laduner gesagt.
    So stand nun Studer im kühlen Gang. Jemand spielte Klavier, eine einfache Melodie. Studer schlich näher. Die Klänge drangen durch die Tür, die dem Eßzimmer gegenüberlag. Studer lauschte. Das Klimpern klang kühl wie Amselsang an einem Aprilmorgen. Das Klavier schwieg, eine Knabenstimme sagte.
    »So Muetti, jitz sing du!« »Aber, Chaschperli, ich cha ja gar nid singe…« »Wowoll, Muetti… Weisch, ds französisch Lied…« Stuhlrücken. Ein kurzes Vorspiel…
    »Plaisir d'amour ne dure qu'un moment
Chagrin d'amour dure toute la vie…«
    Eine Altstimme… Plötzlich war Studer weit weg, obwohl sein Kopf an der Türfüllung lehnte… Es versank die Anstalt

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