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Matto regiert

Matto regiert

Titel: Matto regiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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»›Analyse‹«? Daß der verdorbene Bursche die größten Lügen über seinen Vater erzählen darf – Sie dürfen mir glauben, ich habe Erkundigungen eingezogen, bei Fachleuten –, daß er sich als Märtyrer gebärdet… Und dies alles mit besonderer Erlaubnis eines Seelenarztes…«
    »Ich möchte Sie auf eines aufmerksam machen, Herr Oberst, ich bin stellvertretender Direktor, und die Zeit, die ich Ihnen widmen kann, ist beschränkt…« Blick auf die Armbanduhr. »O ja, ich
werde
zum Schluß kommen. Ich habe Herrn Wachtmeister Studer nur eines zu fragen: Gedenkt er den mysteriösen Unglücksfall, dem der langjährige Direktor dieser Anstalt, mein Freund Ulrich Borstli, zum Opfer gefallen ist, gewissenhaft aufzuklären, oder ist er gewillt, sich von Herrn Dr. Laduner, dem
stellvertretenden Direktor
« (die beiden Worte klangen besonders giftig), »So beeinflussen zu lassen, daß er seine Untersuchung in eine Richtung lenkt, die einer Vertuschung gleichkommen würde… Oder ist er gewillt, nach bestem Wissen und Gewissen…«
    Pause. Dem Herrn Oberst schien plötzlich etwas eingefallen zu sein, denn er beugte sich vor, musterte Studer aufmerksam mit seinen großen, rotgeäderten Augen – die Iris war von einem unangenehmen Blau, wie bei einer siamesischen Katze –, nickte dann, als sei ihm etwas eingefallen, und mit ganz sanfter Stimme fuhr er fort und senkte seine Blicke nicht mehr:
    »Hören Sie, Herr Wachtmeister Studer, ich erinnere mich jetzt an Sie. Es ist Ihnen einmal bitteres Unrecht geschehen. Aber es waren damals so große Interessen im Spiel, daß ich unmöglich anders handeln konnte… Wollen wir zu einer Einigung gelangen? Ich lasse Ihnen Ferien geben, Sie suchen meinen Sohn, dessen Verbleib ein gewisser Seelenarzt mir nicht verraten will, und Sie beruhigen ein schmerzendes Vaterherz. Die Untersuchung hier werde ich in andere Hände legen lassen – übrigens, geht das an, daß Sie bei einem Arzte wohnen, der an den Vorkommnissen beteiligt ist? –, in die Hände eines Unvoreingenommenen… Finden Sie meinen Sohn, so werde ich mein möglichstes tun, Ihnen Ihren weitern Lebensweg angenehm zu gestalten. Sie wissen, ich bin nicht ohne Einfluß…« die Rechte faßte den Bart am Kinn und ließ ihn sanft durch die geschlossene Hand gleiten, »und Sie können versichert sein… Nun?«
    Schweigen. Erwartungsvolles Schweigen. Dr. Laduner blickte angestrengt auf seine Kniee. Studer seufzte. Das war gar nicht so einfach… Diese Irrenhausgeschichte war eine ganz verkachelte Angelegenheit, war es nicht wirklich besser, man ließ die Finger davon?… Gefühle! Mit Gefühlen kam man nicht weiter, auch wenn sie verlockende Formen annahmen wie etwa: der ältere Bruder, der seinen Benjamin schützen will… Einmal schon hatte es einem den Kragen gekostet, weil man dem Herrn Obersten zu nahe getreten war… Noch einmal von vorne anfangen?… Mit fünfzig Jahren?… Das wollte überlegt sein. Studer sog angestrengt an seiner Brissago, behielt den Rauch lange im Munde, stieß ihn nur widerwillig aus…
    Einerseits: Man gab die Untersuchung auf, überlieferte die Brieftasche (schade, daß man den Sandsack nicht mehr hatte) zusammen mit den Beobachtungen über Pieterlen und den nächtlichen Ausflug Dr. Laduners in den Sous-sol-Gang vom R seinem Nachfolger, widmete sich dem Auffinden Herbert Caplauns… Dann war man gedeckt, ja ›
gedeckt
‹. Dann ging man in mindestens fünf Jahren als Polizeileutnant in Pension… Gut und schön, und die Frau würde sich freuen. Den Herrn Obersten würde niemand nach Thorberg bringen, trotz des kantonalen Polizeidirektors frommen Wunsche… Anderseits, man half dem Dr. Laduner, man gewann nichts dabei, im Gegenteil, man konnte sich wüscht blamieren, man hatte dann den Herrn Obersten auf dem Buckel.
    »Nun?« fragte Caplaun zum zweiten Male.
    Polizeileutnant… Pension… Gratifikation… Gratifikation!… Der Herr Oberst war reich…
    Aber da war zuerst die Anrede: »Sie dort… ja… Sie meine ich…« und die Bankaffäre… Und da war zweitens ein Lied, das begann: ›Plaisir d'amour…‹ und ein anderes, das die gleiche Stimme gesungen hatte: ›Si le roi m'avait donné Paris sa grand'ville…‹ Warum gaben die zwei Lieder den Ausschlag? Oder die Frau, die sie gesungen hatte? Logisch läßt sich ein Entschluß nie erklären… Genug, Studer sagte plötzlich und wandte sich an Dr. Laduner:
    »Wissen Sie, wo sich der Herbert aufhält?« Er vergaß sogar das ›Ihr‹.
    Laduner

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