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Matto regiert

Matto regiert

Titel: Matto regiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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erquicken…
    »Das ischt werktätiges Christentum«, sagte der Pfleger Knuchel dessen Hemdkragen von einem kupfernen Klappknopf zusammengehalten wurde… »Die Ärzte mit ihrer Wissenschaft!« sagte er verächtlich. »Nichts für die Seele, nichts für den Geischt… Arbeitstherapie!… Ich habe einmal versucht, am Abend regelmäßige Bibelstunden einzuführen, aber da hat mich Dr. Laduner bös angefahren… Er habe nichts gegen die Religion, hat er gesagt, aber was hier in der Anstalt von Wichtigkeit sei, das sei, daß die Patienten lernten, der Wirklichkeit furchtlos ins Auge zu schauen…«
    Der Pfleger Knuchel sprach wie ein Sektenprediger. Studer hatte einmal solch eine ›Stunde‹ besucht, aus beruflichen Gründen, ein kleiner Hochstapler hatte sich bei den Leuten angebiedert, und fünf Kantone suchten ihn wegen Diebstahls und Betrugs… Studer kannte die Worte des Liedes, er kannte seine Melodie… Harmlose Leute, die in diesen ›Stunden‹ verkehrten, stolz auf das, was sie ihr Christentum nannten – und es erlaubte ihnen, auf andere Leute selbstgerecht herabzublicken…
    »Aber«, sagte Studer, »mit dem Gilgen habt ihr euch nicht gerade anständig benommen… Nicht einmal christlich…«
    Ein starrer Zug trat in Knuchels Gesicht. Er erwiderte: »Das weltliche Tun muß ausgerottet werden… Ich bin nicht kommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert…« zitierte er. Und Studer fragte sich, ob man den Klatsch wirklich ein Schwert nennen könne…
    Wieder veränderte sich Knuchels Gesichtsausdruck, er wurde süßlich, ein gütig sein sollendes Lächeln entstand um seinen Mund: »Wer nicht hören will, muß fühlen…« sagte er. »Nur an der Religion kann unsere Welt genesen, und ich predige den guten Geist, aber wenn sie meinen Heiland verspotten«, sagte er und runzelte die Brauen, »dann muß man sie züchtigen mit eisernen Ruten…«
    Armer, kleiner Gilgen mit seiner kranken Frau und seinen Schulden und seinem ganzen traurigen Leben! Ein Mensch immerhin, der an etwas geglaubt hatte, der den Patienten Trost spendete und einem Erregten im Bade Geschichten erzählte, die der Kranke nicht verstand, aber die beruhigend wirkten…
    Nicht sentimental werden! Aber es war nicht zu verhindern, daß man von Anfang an den kleinen Gilgen, der mit Fünfzig vom Schaufelaß schob, gern gemocht hatte, und daß man mitschuldig war an seinem Tod. Übrigens, warum hatte er sich zum Fenster hinausgestürzt? Wegen des Diebstahls? Chabis! Es war gar nicht erwiesen, daß der kleine Gilgen einen Diebstahl in der Verwaltung begangen hatte… Es steckte anderes dahinter… Warum hatte man den undeutlichen Eindruck, Gilgen habe jemanden decken wollen, er habe Angst gehabt, jemanden zu verraten, und sei deshalb zum Fenster hinausgesprungen?… Dieser Selbstmord wirkte wie eine heroische Geste… Furcht steckte vielleicht dahinter, man könne sich doch verraten, im Kreuzverhör… Die Leute hatten ja gewöhnlich eine panische Angst vor dem Untersuchungsrichter… Mit Recht! Mit Recht!…
    Wen hatte er decken wollen? Pieterlen? Das Naheliegendste. Er war mit Pieterlen jeden Sonntag spazieren gegangen, die beiden hatten miteinander b'richtet: Gilgen hatte von seinen Schulden erzählt und Pieterlen von seiner Untat… Es war schwer, nach den Ausführungen des Dr. Laduner den Kindsmord als eine Untat zu betrachten… Immerhin… Pieterlen war zu einer kritischen Zeit verschwunden, sein Entweichen fiel mit dem Tod des Direktors zusammen, obwohl man den Beweis hatte, daß bei dem Tod des Direktors auf alle Fälle der Sandsack keine Rolle gespielt hatte… Die Präparate, die man angefertigt hatte mit Hilfe des Assistenten Neuville, bewiesen diese Auffassung. Aber irgend jemand hatte den Direktor die Eisenleiter hinuntergestoßen.
    Jutzeler? Es sprach manches gegen ihn. Seine Ruhe, seine Abgeklärtheit; aber seine Stellung stand auf dem Spiel. Mit der Schwarzen Liste war nicht zu spaßen. Auch in Spitälern nicht. Sie konnten dem tüchtigsten Manne den Hals brechen… Man war noch nicht so weit, daß berufliche Tüchtigkeit wichtiger war als politische Gesinnung. Es würde lange gehen, bis man so weit war…
    Aber Jutzeler hatte nicht telephonieren können. Wer in der Anstalt hatte telephoniert und weswegen?… Denn daß der Direktor auf das Telephon hin sich in jener Ecke eingefunden hatte, in jener Ecke, in der der Schrei um halb zwei erklungen war, das deckte sich dermaßen mit allen andern Untersuchungsergebnissen, daß es

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