Matto regiert
Namen an den Briefkasten an. Endlich:
»Gilgen-Furrer, Pfleger.«
Er strich ums Häuschen, prüfte die Klinken aller Türen… Verschlossen… Im Garten wuchsen Astern, die Sonnenwirbel waren noch klein. Sauber war der Garten, kein Unkraut… Studer beschloß, zu warten. Er hätte in die Anstalt zurückgehen können, um sich noch einmal nach Irma Wasem zu erkundigen, er unterließ es. Ge-wiß, wie Dr. Laduner sagte, das Hüüsli schien unbewohnt… Schien!… An was spürte man, daß doch jemand darinnen hauste? An einem Vorhang, der sich kaum bewegte?…
Der Wachtmeister verließ den Garten, ging ein Stück die Straße entlang, die an der Siedlung vorbeilief. Da war ein Busch, groß genug, um sich dahinter zu verstecken. Noch ein Blick ringsum, Studer trat hinter den Busch, setzte sich… Es konnte ein langes Warten werden…
Die Abenddämmerung verging, die Nacht stieg auf. Am Himmel, der flaschengrün war wie Mattos Fingernägel, trat zuerst ein Stern hervor, dessen Schein blau war wie die Lampe im Wachsaal B. Und dann kam die Dunkelheit. Sie war schwarz. Kein Mond leuchtete.
Schritte… Harte Schritte, wie von Stöckelschuhen. Studer lugte vorsichtig hinter dem Busch hervor. Eine Frau kam das Sträßlein entlang, sie wandte sich oft um, als ob sie Angst habe, verfolgt zu werden. Und vor Gilgens Haus blieb sie stehen, sah nach rechts, sah nach links… Dann betrat sie den Garten. Sie klopfte an der Haustüre, wartete. Langsam öffnete sich die Türe. In der sehr stillen Nacht hörte Studer deutlich die Worte der Frau:
»Ich glaub, du kannst ein wenig mit mir spazierengehen. Es redet sich besser draußen. Und ich hab' dir etwas zum Essen mitgebracht.«
Eine männliche Stimme antwortete: »Wie d'meinscht!«
Das Paar trat aus dem Garten, ging die Straße entlang in der Richtung zum Fluß. Studer ließ es vorausgehen, dann folgte er vorsichtig. Die Vorsicht wäre unnötig gewesen, denn die Nacht war dunkel. Er sah das Paar nur, weil die Frau ein weißes Kleid trug… Der Fluß rauschte. Am Horizont ging der Mond auf; er sah aus wie eine riesige Orangenscheibe. Sein Licht war sanft.
Mattos Puppentheater
»Ist's gut gegangen?« fragte die Frau.
Und der Mann antwortete:
»Der Schroter hat mich nicht erwischt.«
Studer lächelte im Dunkeln. Die Blätter der Erlen und Weiden schimmerten grau im farbigen Licht des Mondes. Träge floß der Fluß und murmelte dunkle Worte, die niemand verstand. »Was ist gestern gegangen?« fragte die Frau. »Bist du nicht unvorsichtig gewesen, Pierre?«
»Ich hab' den Schroter getroffen, wie ich hab' den Dr. Laduner suchen wollen. Schad, daß der Gilgen tot ist, er war ein feiner Köbi…«
Schweigen. Die Frau hatte sich an den Mann gelehnt. Vor den beiden lag eine kleine Fläche Sand, und sie glitzerte unter den Mondstrahlen, die durch die Zweige brachen…
»Warst du nie eifersüchtig, Pierre?« fragte die Frau.
Wie eine Stimme sich verändern konnte! Studer hatte sie gehört, als sie von Tränen feucht war… Jetzt klang sie energisch. Gütig und zärtlich zugleich.
»Eifersüchtig?« Es klang erstaunt. »Warum eifersüchtig? Ich hab' doch Vertrauen zu dir gehabt. Du hast mir doch gesagt, du gehest mit dem Direktor, nur um ihn umzustimmen wegen mir. Weißt, ich bin noch so dumm, daß ich alles glaube… Und warum hätte ich dir nicht glauben sollen?«
»Hast recht gehabt, Pierre… Weißt, was der Schroter gedacht hat? Er hat gemeint, ich wolle Frau Direktor werden… Ja, die Schroter! Es großes Muul, süscht nüt…«
»Ach«, sagte das Demonstrationsobjekt Pieterlen, »er ist eigentlich ein anständiger Kerl. Er hat immer zum Laduner gehalten. Wenn er gewollt hätte, hätt' er ihm schon lang Schweinereien machen können…«
»Magst den Laduner lieber als mich?« fragte die Irma Wasem. Das waren so Fragen, wie sie Frauen gerne stellen. Studer lauschte andächtig. Das Ganze gefiel ihm, er hätte nicht sagen können, warum. Er mußte an Dr. Laduners Ausspruch denken: ›Sollen nicht auch wir einmal ein Idyll in unsern roten Mauern haben?‹ In solch einem Fall war es angenehm, sich geirrt zu haben… Und auch der große Psychiater Laduner hatte sich geirrt. Das Meitschi war recht. Es hielt zu seinem Freunde. Zwar, Frauen waren manchmal merkwürdig, man konnte nicht immer alles glauben, was sie erzählten… Aber in diesem Falle schien die Irma Wasem ehrlich zu sein, und man hatte wüscht daneben gehauen, als man dachte, man habe es mit einem jungen Totsch zu tun, der
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