Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Matto regiert

Matto regiert

Titel: Matto regiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
Vom Netzwerk:
darauf spekuliere, Frau Direktor zu werden… Der Angeschmierte war in diesem Falle Herr Direktor Ulrich Borstli, aber da er begraben war, konnte es ihm gleich sein…
    »Weißt«, sagte die Irma Wasem, »am besten ist, du bleibst nicht mehr im Hause vom Gilgen. Ich war heut bei meinem Bruder. Er ist in deinem Alter und ein feiner Kerl. Ich hab' dir seinen Heimatschein mitgebracht. Mit dem fährst du nach Basel, meldest dich unter seinem Namen an, und in einer Woche läßt du dir einen Paß ausstellen und fährst dann nach Frankreich. Ich hab' eine Schwägerin, die ist in der Provence verheiratet. Zu der kannst du gehen. Ich werd dir dann noch schreiben… Schließlich wirst du nur von der Anstalt gesucht, ich glaub nicht, daß der Laduner dich als gemeingefährlich bezeichnet hat, und so wird dich die Polizei nicht allzu eifrig suchen…«
    »Es wär auch nicht mehr gegangen im Haus vom Gilgen. Der andere macht die ganze Zeit Krach… Ich glaub nicht, daß ich jemals so verrückt war wie der… Einen Revolver hat er auch und droht, er will sich erschießen. Ich dank dir auch… Weißt, ich werd die Nacht durch laufen und dann in Burgdorf den Zug nehmen.«
    »Hast Geld?«
    »Nein… Kannst mir etwas geben? Wenn ich etwas verdien', schick ich's dir wieder…«
    Er solle keinen Chabis reden, sagte die Irma Wasem. Studer hörte das Rascheln von Banknoten.
    »Wenn's geht, komm ich dich in Basel besuchen…« sagte die Irma. Dann war es lange Zeit still, nur der Fluß murmelte. Ein kleiner Wind spielte mit den Blättern der Erlen…
    »Leb' wohl«, sagte das Demonstrationsobjekt Pieterlen.
    »Mach's gut«, sagte die Irma Wasem…
    Und dann verschwanden die beiden Schatten in der Dunkelheit. Es war die beste Lösung! Das Demonstrationsobjekt Pieterlen verschwand. Es war ihm zu gönnen… Neun Jahre! Neun Jahre eingesperrt wegen Kindsmordes! Und was lag alles dazwischen? Särge machen in der Zelle, Knopflöcher nähen, bis man verrückt wurde, weil man es nicht mehr aushielt… Glasscheiben zertrümmern, Sondenernährung, Schlafkur. Und das Aufwachen, das Zurückfinden aus einem andern Reich, die Flucht aus dem Land, in dem Matto regierte… Aber regierte Matto nicht auf der ganzen Welt?…
    Es war da immerhin der Traum mit den eleganten Bomben, die in Reih und Glied standen, es war da die Stimme im Radio: »Zweihunderttausend Männer und Frauen…« und nicht anders hatte die Stimme geklungen, wie jene des Kranken in der Ecke, der seine imaginären Herden und sein imaginäres Vermögen zählte…
    Glück sollte man dem Pieterlen wünschen, dem Pierre Pieterlen, der wieder einmal seine Haut zu Markte trug… Vielleicht gelang es der Irma Wasem, dem Demonstrationsobjekt begreiflich zu machen, daß auch ein Handlanger mit weltanschaulichen Ambitionen das Recht hat, Kinder auf die Welt zu stellen und mit ihnen glücklich zu sein. Glücklich!… Das war auch so ein Wort. Vielleicht zufrieden…
    Nach Frankreich… Gut! Studer hatte Frankreich gerne… Es war viel Unordnung dort, und eine Politik trieben sie dort manchmal, daß Gott erbarm!… Aber immerhin, man sagte, es sei das Lieblingsland unseres Herrgotts. Nehmen wir es an und wünschen wir dem Pierre Pieterlen Glück. Wenn einmal die Irma Wasem ihre Stelle kündigte, dann wußte man, was los war, dann konnte man eine kleine Glückwunschkarte schicken…
    Und übrigens, es würde nicht schwerfallen, den Dr. Laduner zu überzeugen, daß dies die beste Lösung sei. Der Dr. Laduner hatte einem allerhand zu verdanken – er, der mit dem Brot und mit dem Salz so freigebig umging…
    Was war Pieterlen gewesen? Ein Aktenbündel. Und Dr. Laduners Worte hatten das Aktenbündel zum Leben erweckt.
    Und warum Pieterlen in jener Sichletennacht entflohen war? – Auch das würde sich klären… Es war ja immer so bei diesen Fällen, man tappte im Dunkel, man strengte sich an, man fand schließlich das Fadenende… Aber damit war die Sache erledigt. Der Fall rollte sich von selber auf…
    Pieterlen verhaften? Wozu? Studer hatte, wie man im Bernbiet sagte, einen Steckgring. Er war gebeten worden, den Dr. Laduner behördlich zu decken… Hatte er das nicht getan? Das Signalement des Pieterlen war verbreitet worden… Waren die Kollegen in Basel so dumm, das Demonstrationsobjekt durchschlüpfen zu lassen – mira… Man konnte nicht überall zu gleicher Zeit sein…
    Pieterlen Pierre, schizoider Psychopath, du hast lange genug die Freiheit entbehrt, versuch', dich durchzuschlagen… Wenn's

Weitere Kostenlose Bücher