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Matto regiert

Matto regiert

Titel: Matto regiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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Studer ist dem Portier Dreyer auf den Leim gegangen. Er hat den Schuldigen nicht gesehen, obwohl er mit ihm gesprochen hat. Er hat dem Schuldigen geglaubt, und ist dem Gilgen nachgesprungen… Wißt ihr, Frau Doktor, euer Mann hat mir gesagt, ich sei ein Pfuscher. Er hat wohl recht.«
    Studer seufzte.
    »Der kleine Gilgen… Ihr habt den Gilgen auch verhext, Herr Doktor. Ich kann mir gut vorstellen, was sich der Mann gedacht hat. Er hat den Caplaun auf der Abteilung gepflegt und später an den Sonntagen, an denen er den Pieterlen spazieren führte, hat er den Herbert wieder getroffen. Die ganze Sache wäre leichter für mich gewesen, wenn ihr mir nur ein wenig mehr erzählt hättet, Herr Doktor, denn die beiden haben doch Freundschaft geschlossen – der Angstneurotiker und der schizoide Psychopath… Ihr seht, daß ich Fortschritte gemacht habe in der Psychiatrie… Glaubt mir, Herr Doktor, ich verstehe den kleinen Gilgen jetzt gut. Zwei Sorgenkinder von euch waren dem Gilgen anvertraut. Das eine geht fort, kommt wieder und gibt ihm viertausend Franken, und der kleine Gilgen versteht nicht… Dann erscheint ein Fahnderwachtmeister, der ein Pfuscher ist… Was tut der kleine Gilgen? Er will den Doktor Laduner decken. Eigentlich sollte der Doktor Laduner ja von der Behörde gedeckt werden, aber davon weiß der kleine Gilgen nichts. Der kleine Gilgen in seinem einfachen Kopf hatte nur einen Gedanken: wenn ich dem Wachtmeister erzähle, daß ich den Caplaun mit dem Geld in der Hand angetroffen habe, so geht der Schroter hin und verhaftet den Caplaun. Und dann ist der Doktor Laduner blamiert, denn er hat ja den Herbert Caplaun gesund machen wollen… Aber eine so komplizierte Angelegenheit ist für einen einfachen Kopf unlösbar. Der kleine Gilgen weiß, daß er schweigen muß, aber er weiß auch, daß er schwach ist, daß er endlich doch wird reden müssen vor dem Untersuchungsrichter – und da bricht alles zusammen in ihm. Ich kann mir das vorstellen: das Hüüsli ist verschuldet und die Frau ist krank, die Kollegen haben ihn verrätscht, die Aufsichtskommission weiß von seinen Diebstählen, von den Diebstählen, die er nicht begangen hat – es ist zuviel für ihn, und da gibt er mir die Photi von seiner Frau und von seinen beiden Kindern, und während ich sie anschaue, springt er zum Fenster hinaus…«
    Doktor Laduner murmelte: »Ich hab' Ihnen schon immer gesagt, Studer, daß sie ein poetischer Fahnder seien.«
    Studer nickte. Nach einer Pause sagte er:
    »Die Brieftasche… Wißt ihr, Herr Doktor, daß ich die Brieftasche dort hinter den Büchern gefunden habe?«
    Frau Laduner fragte erstaunt: »Hinter den Büchern?«
    Studer nickte.
    »Ja, am Morgen, an dem der kleine Gilgen zu euch gekommen war, Herr Doktor. Ich wußte, daß der alte Direktor von der Krankenkasse zwölfhundert Franken bekommen hatte, aber wir haben damals beide festgestellt, daß die Taschen der Leiche leer waren. Und dann war die Brieftasche plötzlich hinter euern Büchern. Wer hatte sie dort hingelegt? Gilgen? Natürlich habe ich an Gilgen gedacht. Denn an jenem Morgen ist er auch in meinem Zimmer gewesen und hat den Sandsack geholt, den ich in meinem Koffer versteckt hatte. Und wo habe ich den Sandsack wiedergefunden am Samstagnachmittag? Hinter einem Paar alter Schuhe im Schafte des Pflegers Gilgen… Schließlich, Herr Doktor, ihr denkt psychiatrisch, ihr kennet die Seelen… Was kenne ich?… Mein Handwerk. Und zu meinem Handwerk gehört doch, daß ich auf Grund von Indizien Verhaftungen vornehme. Saget selbst: Waren nicht alle Indizien gegen Gilgen? Ich bin ein Pfuscher, habt ihr gesagt, aber jeder andere in meiner Lage hätte genau so gehandelt wie ich. Ihr müßt zugeben, daß eine Atmosphäre, wie die eurer Anstalt, ungewohnt für mich ist. Ich weiß vielleicht ein wenig mehr als meine Kollegen, aber immerhin: da wird einem von Matto erzählt, ihr klärt mich einen ganzen Abend darüber auf, daß Kindsmord, mit anderen Worten gesagt, eine menschenfreundliche Handlung sei, verwirrt mich, ihr erzählet mir nichts, ihr wollet gedeckt sein – und doch fühle ich gut, daß ihr Angst habt.
    Lange Zeit habe ich gedacht, ihr habt vor dem Pieterlen Angst. Und dann, so nach und nach, habe ich gemerkt, daß Pieterlen eigentlich ganz harmlos war, daß er probiert hat, euch zu decken… Und jedesmal, wenn eure beiden Sorgenkinder am Sonntag sich trafen (hat euch der Herbert das auch in der Analyse erzählt?), haben sie nur über eines

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