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Matzbachs Nabel

Matzbachs Nabel

Titel: Matzbachs Nabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Weiheschriften. MÖGE NIE EIN HAHN NACH DIR KRÄHEN, DENN DEINER WAR NIE DER ERSTE . Ziemlich gut. Und die hier – E NDLICH IN HEITERER V ERLASSENHEIT – DEINE LUSTIGE W ITWE . Wunderschön. B ESSER EIN ALLEINER ALS GAR KEINER . Hat wohleiner seinen dadaistischen Tag gehabt, was? Oh, und dieses auserlesene Juwel: U NSEREM LIEBEN W IPPSTERZ ALS LETZTEN G RUSS – M AMA L AURA UND DIE G IRLS VOM C HEZ N OUS . Hah. Populärer Typ?«
    »Riesig.«
    »Wann trug sich dieses zu?«
    »Heut früh. Verbuddelt zu Champagner, Fanfaren und Schmähreden.«
    »Und? Hat sich gelohnt?«
    »So-so. Zwanzig Riesen.«
    Matzbach pfiff leise. »Woher?«
    »Düsseldorfer Hautevolaute.«
    »Was bleibt für dich, wenn dein Sargtischler und der Schriftschleifenartist et cetera besoldet sind?«
    »Die zwanzig
sind
für mich. Der Rest ist extra.«
    Matzbach schob die Unterlippe vor und nickte langsam. Das Dorf war weit genug entfernt, um an ausgefallenen Zeremonien hinter der gemauerten Sichtblende nicht glaubhaft Anstoß nehmen zu können. Ohnehin bestand die Pietät der Dorfbewohner, wie Genenger immer wieder berichtet hatte, in erster Linie aus den Erwägungen des zuständigen Magistrats, der noch weiter weg war; Tischler, Souvenirverkäufer, Krämer, Metzger, Bäcker und Kneipiers begrüßten die häufigen Feste durchaus. Der alte Pfarrer – eine Art Refrain in Genengers Erzählungen – zog es vor, nur dann etwas zu sehen, wenn man ihn dazu zwang; außerdem hatte er schon in der Messe seine Pfeife geraucht – genauer: beim Pfeiferauchen die Messe zelebriert – und hielt das Himmelsdach für ausreichend weit, um fast alles darunter geschehen zu lassen, selbst die Rückwärts-Salti eines polnischen Pontifex.
    Matzbach wandte seine Aufmerksamkeit der Korbflasche zu, die an Genengers Lippen hing. Dann warf er einen Blickauf den Freßkorb und rieb sich die Magengegend. »Ich falle vom Fleische.«
    Genenger hob die Brauen. »Herbe Sache, aber zweifelhaft.«
    »Doch, doch. Ich magere ab. Seit gestern kein Mittagessen, und morgen ist schon der dritte Tag.«
    »Du hast dich doch bloß angepirscht, damit ich nicht alles verstecke, wenn ich dich kommen höre.«
    »Bin ich in meinen Motiven derart durchsichtig?«
    »Aber auch nur da.« Heinrich riß dem Huhn einen Flügel ab und warf ihn Baltasar zu.
    »Fast«, sagte Matzbach, als er das Nahrungsmittel beim zweiten Zupacken vor dem Sturz ins Grab bewahrte, »wäre es ein Grufthuhn geworden. Ahhh.« Sehnend streckte er die Hand aus; Genenger reichte ihm auch die Flasche.
    Sie aßen einige Zeit schweigend. Die Eidechse traute sich wieder hervor. Plötzlich schmatzte Matzbach; es klang wie ein Kanonenschuß in der Stille des Mittags. »Du hast mich aber nicht herbestellt, um mich zu mästen, wie? Wobei mir das Gegenteil einfällt – vielen Dank für das feine grüne Kackomobil.«
    Genenger kratzte letzte weiße Fasern vom Flugbein. »O bitte sehr, war mir ein Vergnügen. – Es geht um Leichen.«
    Baltasar machte runde erstaunte Kinderaugen und blickte von Grab zu Grab. »Leichen? Was ist das?«
    »Eine tiefe Frage, Herr. Das Endprodukt aller Erkenntnis? Dein wünschbarer Zustand? Ach, man weiß so vieles nicht.«
    »Wohl wahr; ja.«
    Genenger wischte sich endgültig die Hände an seinem T-Shirt ab. »Ah. So. Wieviel Zeit hast du mitgebracht?«
    »Kommt drauf an.«
    »Worauf?«
    »Vieles, vieles. Die Frage, wie lange ich das Haus ertrage; wann es wieder regnet, weil dann der Weg zu Wasser undKlosett beschwerlich wird; wie lange man braucht, um die Weine der Gegend zu testen; und was der Probleme mehr sein mögen. Jorinde nicht zu vergessen. Du weißt ja, Frauen sind in ihren Ansprüchen manchmal penibel, klomäßig und so weiter.«
    Genenger hakte einen langen oberen Eckzahn in die Unterlippe. »Soll sie sich doch was hexen, sanitär.«
    »Ich geb das weiter.«
    »Interessieren dich meine Leichen nun, ja oder nein?«
    Matzbach ließ den abgenagten Knochen auf den Sarg fallen. »O bitte gern, ja doch. Was für Leichen?«
    Genenger deutete allgemein talaufwärts, Richtung Nordwesten. »Irgendwelche paar Kilometer Vogelflug …«
    »Geierflug.« Matzbach grinste.
    » … entfernt steht da ein seltsames Ding rum. Nennt sich Klinik – normal, psycho und Schönheit.«
    »Alle drei Aspekte? Wei geschrien.«
    »Ruhe. Die behandeln … ah, anders rum: Die sind spezialisiert auf Krankheiten der Reichen.«
    »Interessantes medizinisches Gebiet.«
    »Ja, wie? Bloß komisch, daß bei denen derart viele Leichen

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