Mauern aus Holz, Maenner aus Eisen
ein altes Schiff und hatte alles mögliche geleistet, nur nie gekämpft. Ursprünglich hatte sie vierundsechzig Kanonen getragen, dann hatte man einige davon ausgebaut, weil sie Truppen von einem Unruheherd zum nächsten transportieren mußte. Sie hatte sogar die Sträflingskolonie in NeuSüdwales angelaufen. Jetzt gehörte sie zur Invasionsflotte in einem Krieg, in dem alles, was sich über Wasser halten konnte, gebraucht wurde.
Jenour versuchte sich zu entspannen. Er hatte die Wache an der Seitenpforte aufziehen sehen, rötliches Sonnenlicht reflektierte von ihren gezogenen Säbeln. Als der Buggast die Gig festgemacht hatte, stieg Bolitho nach oben. Die gebrüllten Kommandos und das Schrillen der Pfeifen betäubten ihn fast. Allday war dicht hinter ihm und würde ihn stützen, falls sein Fuß abglitt oder sein Auge versagte. Bloß das nicht … Er fing sich und grüßte zum Achterdeck hin, über dem die Kriegsflagge vor dem Abendhimmel tanzte.
Der Offizier, der ihn empfing, trug nur ein einzelnes Schulterstück. Aber für einen Commander war er zu alt, also bei Beförderungen offensichtlich übergangen worden.
»Willkommen an Bord, Sir Richard.«
Bolitho lächelte kurz. Allday hatte recht, auf Schiffen gab es keine Geheimnisse. »Wo steckt der Commodore?« Bolitho sah zu Warrens Flagge auf. »Ist er krank?«
Commander Maguire sah unglücklich drein. »Er bittet um Entschuldigung, Sir Richard. Er erwartet Sie in seiner Kajüte.« Bolitho nickte den anderen Offizieren zu und wandte sich an Jenour. »Bleiben Sie mit Allday hier und schauen Sie sich um.« Maguire führte ihn zum Niedergang und verbeugte sich, als Bolitho zur Achterkajüte schritt, vor der ein Seesoldat knallend die Hacken zusammenschlug. Das Schiff strahlte etwas Unwirkliches aus. Vielleicht war es auf zu vielen Stationen und zu lange fern von England eingesetzt worden. Fünfzehn Jahre, hatte Bolitho gehört, war die
Themis
nicht mehr in England gewesen. Was konnte da ihr Rumpf noch an Belastungen aushalten?
Ein schwarzer Diener in Leinenhose und roter Weste öffnete die Lamellentür. Wieder einmal war Bolitho überrascht.
Man hatte aus der Achterkajüte die Kanonen entfernt, um Quartier für die vielen Offiziere zu schaffen, die bei den langen Truppentransporten untergebracht werden mußten. Um auf die Entfernung den Feind trotzdem zu täuschen, hatte man im Heck Kanonenattrappen eingebaut. Darum also wirkte die Kajüte jetzt so geräumig. Nur ein Gestell mit Musketen erinnerte an den Krieg.
Commodore Arthur Warren kam hinter einer zweiten Lamellentür hervor. »Sir Richard! Was müssen Sie von mir denken?«
Bolitho war entsetzt. Er hatte den gleichaltrigen Warren nie näher gekannt, doch dieser Offizier in der zu großen Uniformjacke wirkte mit seinem faltigen Gesicht wie ein sehr alter Mann.
Die Tür fiel zu. Commander Maguire hatte sich ohne Erlaubnis entfernt. Kein Wunder, daß der selbstbewußte Kapitän Varian hier für seine Zukunft eine Chance sah, dachte Bolitho.
Sie waren allein mit dem Diener.
»Setzen Sie sich doch bitte.« Bolitho wartete, bis der Diener roten Wein in kostbare spanische Gläser gefüllt und sie ihnen gereicht hatte. Warren setzte sich mit schmerzverzogenem Gesicht, ein Bein steif vor sich ausgestreckt, die linke Hand im Jackett verborgen. Das war kein kranker, sondern ein sterbender Mann.
Bolitho hob sein Glas. »Auf gute Besserung. Die Neuigkeiten von Trafalgar haben Sie gewiß schon erfahren.«
Der Wein war schal und flach, aber Bolitho achtete nicht darauf. Er dachte an seine Zeit als Flaggleutnant von Konteradmiral Sir Charles Thelwall auf dem Dreidecker
Euryalus.
Die Gesundheit seines Vorgesetzten hatte sich damals auf See rapide verschlechtert. Er schätzte Thelwall sehr, und es schmerzte ihn, als er sich an Land zur Ruhe setzte und bald darauf starb. So hatte Thelwall dann auch die Meuterei in der Nore, in Spithead, in Plymouth und Schottland nicht mehr erlebt, die kein Kapitän vergessen durfte, wenn er nicht mit seinem Leben spielen wollte. Der Admiral hatte damals so ausgesehen wie Warren jetzt.
Der Commodore unterdrückte einen tiefen, gurgelnden Husten. Die roten Flecken danach auf seinem Taschentuch stammten nicht vom Wein. Vorsichtig sagte Bolitho: »Ich möchte Sie nicht behelligen, Commodore, aber ich könnte den Arzt der
Truculent
kommen lassen. Er ist ein guter Mann, den ich schätze.«
Warren richtete sich auf. »Es geht schon, Sir Richard. Ich kenne meine Pflichten.«
Bolitho sah sich
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