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Mauern aus Holz, Maenner aus Eisen

Mauern aus Holz, Maenner aus Eisen

Titel: Mauern aus Holz, Maenner aus Eisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Verdienste sich niemand erinnern wollte.
    Leutnant Tyacke blickte auf den Kompaß. Sein Schiff schnitt durch die Wogen, als seien sie Luft. Er legte die Hand aufs Gesicht und spürte, was er jeden Tag beim Rasieren im Spiegel sah. Eine Kanone war explodiert oder eine brennende Lunte herübergeschleudert worden und hatte eine Ladung Pulver entzündet. Niemand war übriggeblieben, der ihm den genauen Ablauf beschreiben konnte. Niemand außer ihm. Die ganze rechte Hälfte seines Gesichts war weggebrannt worden und sah nun aus wie gegrilltes Fleisch. Die Leute drehten sich weg, um ihn nicht sehen zu müssen. Ein Wunder, daß die Augen unverletzt geblieben waren.
    Er erinnerte sich, wie er vor Stunden mit den Depeschen an Bord des Flaggschiffs gekommen war. Er hatte weder den dortigen Commodore noch den General gesehen. Ein gelangweilter Oberst nahm ihm den Umschlag ab, ein Glas Wein in der gepflegten Hand, und lud ihn nicht einmal zum Sitzen ein, schon gar nicht zum Mittrinken.
    Als er dann über die Seite des riesigen Schiffes in sein Beiboot hinunterkletterte, war eben dieser Oberst an die Reling geeilt.
    »Leutnant! Warum haben Sie uns nichts von Nelson und seinem Sieg berichtet?« hatte er ihm nachgerufen.
    Tyacke hatte an der schwarzen, gewölbten Bordwand hinaufgeblickt und seine Verachtung nicht länger verhehlt.
    »Niemand hat mich danach gefragt, Sir!«
    Benjamin Simcox, als Master-Gehilfe für Navigation auf der
Miranda
zuständig, saß im Beiboot neben seinem Kommandanten. Im gleichen Alter wie Tyacke, war er wie der Schoner selbst aus der Handels- zur Kriegsmarine gewechselt. Mit Bob Jay, dem zweiten Master-Gehilfen, machten sie den nur 22 Meter langen Schoner zu einem perfekten Segler, auf den jeder an Bord stolz war.
    Tyacke, Simcox oder Jay waren die drei Wachführer, und Tyacke und Simcox waren in den drei Jahren Freunde geworden. Ihr unterschiedlicher Rang trennte sie nur bei so offiziellen Anlässen wie jetzt beim Besuch des Flaggschiffs.
    Tyacke sah Simcox an, vergaß seine Entstellung für einen Augenblick und sagte: »Das war seit einem Jahr das erste Mal, daß ich wieder den Degen angelegt habe, Ben.«
    Simcox nickte und erinnerte sich daran, wie er einmal nachts in der Kammer neben der des Kommandanten erwacht war. Tyacke hatte im Traum laut auf ein Mädchen eingeredet, das versprochen hatte, auf ihn zu warten. Das Gestammel war herzzerreißend gewesen. Simcox hatte Tyacke an der Schulter gerüttelt, damit nicht das ganze Schiff mithörte. Eine Erklärung war nicht nötig. Tyacke hatte eine Flasche Brandy geholt, die bis zur Morgendämmerung leer gewesen war. Tyacke hatte dem Mädchen, das er seit seiner Jugend kannte, keine Vorwürfe gemacht. Niemand würde sein Gesicht jeden Morgen sehen wollen, sagte er.
    Nachdem sich die
Miranda
auf dem neuen Kurs stabilisiert hatte, rief Simcox durch den Lärm seinem Kommandanten zu: »Prima, wie sie läuft!« Er zeigte auf eine Figur, die sich bei der Luke angeleint hatte, Hose und Strümpfe mit Erbrochenem bekleckert: »Dem allerdings geht’s nicht so gut!«
    Es war Midshipman Roger Segrave, seit Gibraltar auf der
Miranda.
Sein früherer Kommandant hatte Tyacke gebeten, ihn zu übernehmen, damit der Junge auf einem kleineren Schiff mehr praktische Seemannschaft lernte als auf dem Dreidecker und Selbstvertrauen gewann. Es hieß, der Onkel des Midshipman sei Admiral in Plymouth und bange um den guten Namen der Familie. Roger durfte auf keinen Fall durch das Leutnantsexamen fallen. Tyacke hatte klar gesagt, daß er nichts davon hielt. Der junge Mann störte die eingespielte Bordroutine wie ein unwillkommener Besucher.
    Simcox war von der alten Schule. Von einem Tampen oder einer Ohrfeige zur rechten Zeit hielt er mehr als von langen Reden über Disziplin. Doch verbohrt war er nicht. Also erklärte er dem Midshipman, was ihm bevorstand. Leutnant Tyacke war der einzige Offizier an Bord, und Segrave als Kadett durfte auf diesem kleinen Schoner keine Privilegien erwarten. Hier waren alle eine einzige Besatzung, anders als auf einem übervollen Linienschiff.
    Segrave sank stöhnend über die Luke. Sechzehn Jahre war er alt und fast so hübsch wie ein Mädchen; er benahm sich wie ein scheuer Edelknappe, auch der Besatzung gegenüber. Zwar gehörte er nicht zu den verwöhnten Monstern, von denen Simcox gehört hatte, aber leider auch nicht zu den jungen Männern, die alles erfolgreich anpacken konnten. Er gab sich Mühe – ohne Erfolg. Jetzt starrte er in den

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