Maurice, der Kater
gebe mir Mühe. Verstanden?«
»Oh.«
»Du hättest dir jemand anderen suchen sollen.«
»Kannst du überhaupt nicht helfen?«
»Nein.«
Eine Zeit lang herrschte Stille. Dann sagte Malizia: »Weißt du, ich
glaube, dieses Abenteuer ist in vielerlei Hinsicht nicht richtig organisiert.« »Ach, tatsächlich?«, erwiderte Keith.
»Niemand sollte auf diese Weise gefesselt werden.«
»Verstehst du denn nicht, Malizia? Dies ist keine Geschichte«, sagte
Keith so geduldig wie möglich. »Das versuche ich dir die ganze Zeit zu erklären. Das wahre Leben ist keine Geschichte. Es gibt keine Art von… von Magie, die dafür sorgt, dass du nicht verletzt wirst, dass Halunken zum richtigen Zeitpunkt wegsehen, dass sie dich nicht zu hart schlagen, dich direkt neben einem Messer fesseln und nicht töten. Verstehst du?«
Wieder herrschte düstere Stille.
»Meine Großmutter und meine Großtante waren berühmte Geschichtenerzählerinnen«, sagte Malizia schließlich. Ihre Stimme klang ein wenig angespannt. »Agonizia und Eviszera Grimm.«
»Ja, ich weiß«, erwiderte Keith. »Das hast du bereits erwähnt.«
»Meine Mutter wäre ebenfalls eine gute Geschichtenerzählerin gewesen, aber mein Vater mag keine Geschichten. Deshalb habe ich meinen Namen auf Grimm geändert, aus beruflichen Gründen.«
»Ach…«
»Als ich klein war, wurde ich fürs Geschichtenerzählen geschlagen«, fuhr Malizia fort.
»Geschlagen?«, fragte Keith.
»Na schön, ich bekam einen Klaps«, räumte Malizia ein. »Aufs Bein. Aber es tat weh. Mein Vater sagt, eine Stadt kann man nicht mit Geschichten verwalten. Er sagt, man muss praktisch sein.«
»Oh.«
»Interessiert dich denn gar nichts außer Musik? Er hat deine Flöte zerbrochen!«
»Dann kaufe ich mir eben eine neue.«
Die ruhige Stimme ließ Malizia wütend werden. »Ich sag dir was!«, stieß sie hervor. »Wenn man sein Leben nicht in eine Geschichte verwandelt, so wird es Teil der Geschichte einer anderen Person.«
»Und wenn deine Geschichte nicht funktioniert?«
»Dann verändert man sie so lange, bis sie funktioniert.«
»Klingt dumm.«
»Ha, das musst du gerade sagen. Du bist nichts weiter als ein Gesicht in
der Vorgeschichte von jemand anderem. Du überlässt alle Entscheidungen einer Katze.«
»Ja, weil Maurice…«
Eine Stimme sagte: »Möchtet ihr, dass wir weggehen, bis ihr aufhört, Menschen zu sein?«
»Maurice?«, fragte Keith. »Wo bist du?«
»In einem Abflussrohr, und glaub mir, dies war keine angenehme Nacht«, drang die Stimme von Maurice aus der Finsternis. »Hast du eine Ahnung, wie viele Keller es hier gibt? Pfirsiche bringt eine Kerze. Hier ist es so dunkel, dass nicht einmal ich etwas sehen kann.«
»Wer ist Pfirsiche?«, flüsterte Malizia.
»Sie gehört zu den Veränderten«, sagte Keith. »Eine denkende Ratte.« »Wie Fische?«
»Du meinst Sardinen. Ja.«
»Aha«, zischte Malizia. »Siehst du? Eine Geschichte. Ich bin selbstgefällig und gebe mich hämischer Freude hin. Die tapfere Ratte eilt den Helden zu Hilfe und rettet sie, indem sie die Stricke durchnagt oder so.«
»Oh, wir sind wieder in deiner Geschichte«, erwiderte Keith. »Und was bin ich in deiner Geschichte?«
»Ich weiß, dass dir kein romantisches Interesse gilt«, sagte Malizia. »Und du bist auch nicht komisch genug für befreiende Komik. Ich weiß nicht. Wahrscheinlich bist du nur… jemand. Wie der ›Mann auf der Straße‹, etwas in der Art.« Leise Geräusche ertönten in der Dunkelheit. »Was machen sie da?«, flüsterte das Mädchen.
»Ich glaube, sie versuchen, die Kerze anzuzünden.«
»Ratten spielen mit Feuer?«, hauchte Malizia.
»Sie spielen nicht damit. Gefährliche Bohnen hält Licht und Schatten
für sehr wichtig. Wo auch immer die Ratten sind: Irgendwo in den Tunneln brennt eine Kerze…«
»Gefährliche Bohnen? Was ist das denn für ein Name?«
»Pscht! Sie haben die Worte gelernt, die auf alten Büchsen und Schildern und so standen! Sie wussten nicht, was sie bedeuteten, und wählten einfach die aus, deren Klang ihnen gefiel!«
»Ja, aber… Gefährliche Bohnen? Das hört sich an, als…« »So lautet sein Name. Mach dich nicht darüber lustig!«
»Entschuldigung«, sagte Malizia.
Ein Streichholz flammte auf. Eine Kerzenflamme wuchs in die Höhe.
Malizia blickte auf die beiden Ratten hinab. Eine war… nur eine kleine Ratte, aber sie wirkte gepflegter als die meisten Ratten, die sie gesehen hatte. Die meisten Ratten, die sie gesehen hatte, waren tot gewesen, aber sie
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