Maxie und ein Fisch mit Fernweh
mir jemand am Sonntagabend erzählt, dass ich den Pfefferjungen freiwillig mit zu uns nach Hause nehmen würde, wäre ich echt aus der Haut gefahren. Kassia guckt mich dann auch an, als ob ich einen riesengroßen Vogel hätte, als ich mit Jonas in unsere Küche poltere. Ihr ganzes Gesicht sagt: „Spinnst du jetzt komplett?“
Jonas grinst sie verlegen an und hebt zwei Finger zum Gruß. Ich schnappe mir eine Ladung frischer Pfannkuchen, die Mama als Mittagessen vorbereitet hat, und zwei Saftgläser und verschwinde schleunigst wieder, bevor Kassia einen peinlichen Kommentar abschießen kann.
„Jule bleibt heute bei ihrer Freundin und Mama ist in der Praxis, wie immer. Es ist Haustier-Sprechstunde für Kinder, das dauert ewig“, sage ich zu Jonas, als ich meine Zimmertür geschlossen habe. „Meine andere Schwester geht gleich zum Astrologiekurs. Dann haben wir sturmfreie Bude.“
Ich sehe Jonas’ fragenden Blick, aber ich habe gerade keine Lust, ihm die Sache mit Kassia und den Sternen zu erklären.
„Was ist das denn?“, brüllt er plötzlich los. „Eine Maus!“ Er zeigt auf den großen Kaktus, der auf der Fensterbank steht. Auf der sandigen Blumenerde liegt Cäsar und schläft friedlich. Der Kleine hat die Ruhe weg. Nicht mal ein Fremder kann ihn stören.
„Das ist Cäsar, eine Sibirische Springmaus“, sage ich würdevoll und wundere mich, dass Jonas so panisch guckt. „Ist eigentlich ein Wüstentier, deshalb findet er meinen Kaktus so gemütlich. Wir haben noch mehr davon, auch eine Riesenohrspringmaus, die ähnelt einer Fledermaus. Die sitzt aber lieber bei Kassia unterm Dach oder sie bleibt bei Mama. Hast du doch Schiss vor Viechern?“
Jonas schüttelt heftig den Kopf. „Überhaupt nicht.“
Die Haustür schlägt zu. Kassia ist weg.
„Aber wenn mein Vater die Maus sieht, rastet er aus.“ Jonas kichert. „Er hat eine Heidenangst vor Nagetieren. Seit gestern steht eine Ladung Mausefallen bei uns herum. Er sagt, in alten Häusern kann man nie vorsichtig genug sein.“
Mir wird ganz schlecht. „Voll fies! Dann fällt die Mäuseattacke schon mal weg. Ich bringe unsere Springmäuse doch nicht in Lebensgefahr, weil dein Vater ein Killer ist.“
Jonas zuckt entschuldigend mit den Schultern. „Ich sammle die natürlich vorher alle wieder ein. Aber verlaufen die Springmäuse sich nicht bei uns?“
Ich schüttle den Kopf. „Nee, das ist ja das Tolle. Mama hat sie für eine Frau trainiert, die beim Fernsehen arbeitet. Aber die wollte sie dann nicht mehr, weil der Film nicht gedreht wurde. Unsere Springmäuse verhalten sich ähnlich wie Brieftauben, sie kommen immer wieder zurück.“
Jonas geht zum Fenster und schaut sich Cäsar genau an. „Eigentlich süß, dass sie so treu sind. Kann ich die mit den Riesenohren mal sehen?“
Eine Minute später stehen wir in Mamas Zimmer vor dem Käfig. Die Käfigtür ist immer auf, damit die Mäuse ein- und ausgehen können. Wir haben Glück. Die Riesenohrspringmaus ist zu Hause. „Willi ist fast fünf und schon ein Opa“, erläutere ich. „Er ist nicht mehr überall unterwegs wie Cäsar und schläft viel oder frisst gemütlich vor sich hin. Mama will nicht so gerne, dass wir ihn in die Hand nehmen. Sie befürchtet, dass er einen Herzschlag kriegen könnte. Die meisten Springmäuse werden gar nicht so alt.“
Willi sieht wirklich uralt aus, sogar sein Fell ist schon abgeschabt. Vorne fehlt ihm bereits ein Nagezahn. Der ist ihm einfach ausgefallen.
„Hei, Willi, sag mal Hallo!“, säusle ich und klopfe mit dem Knöchel gegen den Käfig.
Willi tut mir den Gefallen. Er setzt sich auf die Hinterbeine und winkt mit seinen Vorderpfoten. Dabei wackeln seine Ohren ganz doll, weil er damit das Gleichgewicht hält. Dieses Kunststückchen macht er nicht immer. Jippieh!
„Cool“, quietscht Jonas. „Irgendwie erinnert er mich an Dumbo, diesen Elefanten mit den großen Ohren. Nur eben viel kleiner.“
Im gleichen Moment schleicht Kassias Kater Chili draußen im Flur vorbei. Er streckt kurz seinen Kopf herein und schlendert dann weiter.
„Warum frisst der denn eure Springmäuse nicht auf?“, fragt Jonas verblüfft.
Das weiß ich selbst nicht. „Chili kriegt jede Menge leckeres Futter von Mama, der ist immer pappsatt. Aber vielleicht schmecken Springmäuse auch nicht. Katzen mögen ja auch keine Spitzmäuse. Eine hat er mal erwischt, aber gleich darauf wieder ausgespuckt, die konnte Mama sogar noch retten. Stell dir vor, sie hat ihr das Hinterbein
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