MAYA LINDON: Und die Macht der Magie (German Edition)
Gesichter waren nicht zu erkennen, sie waren verschwommen, und ich war mir sicher, dass es niemand war, den ich im realen Leben kannte. Der Traum war chaotisch und zusammenhanglos, aber bei Weitem nicht so angsteinflößend wie der Letzte. Auch in dieser Nacht schlief ich nicht durch. Wenn auch nicht durch einen Alptraum, erwachte ich trotzdem. Mein Wecker zeigte in leuchtenden roten Zahlen die 333. Ich warf mich auf die andere Seite und zog mir die Bettdecke über den Kopf. Der wirre Traum ging nahtlos weiter, so als hätte man nur mal kurz auf die Pausetaste gedrückt. Ich war froh, als ich durch Sonnenstrahlen, die auf meiner Nasenspitze tanzten, langsam in die Wirklichkeit geholt wurde.
Freund oder Feind
N achdem ich ausgiebig geduscht und mich angezogen hatte, saß ich mit einer frischen Tasse Kaffee am Küchentisch und schaute aus dem Fenster. Meine Eltern gingen ihrer Arbeit nach, und ich genoss den ruhigen Montagmorgen. Es war Ende Oktober und draußen verloren die Bäume ihre Blätter, um sich so auf die kalte Jahreszeit einzustimmen. Das Laub tanzte in der Luft. In wiegenden und kreisenden Bewegungen fiel es schwerelos auf den Asphalt. Die Sonnenstrahlen ließen den Reif auf ihnen wie tausend kleine Diamanten glitzern. Es war alles friedlich schön und es sah ganz danach aus, als würde das heute ein wunderschöner Herbsttag werden.
Bis auf die Tatsache, dass es abends viel zu früh dunkel wurde, mochte ich den Herbst. Er war der Vorbote des Winters. Und Winter bedeutete wiederum, dass Weihnachten in greifbare Nähe rückte. In meinem Kopfkino drehte sich alles um Christbäume, beleuchtete Fenster, strahlende Gesichter und Apfelkuchen mit Zimt, als ich Marc unsere Auffahrt entlang kommen sah. Super! Er war genau derjenige, auf den ich gerade am wenigsten Lust hatte.
Es klingelte. Ich stelle meine Tasse auf dem Küchentisch ab und ging zur Tür, um ihm zu öffnen. Mit beiden Händen in den Jackentaschen stand Marc vor mir.
„ Hallo Maya!“
„ Hi!“, entgegnete ich ihm mit verschränkten Armen und schaute ihn grimmig an.
„ Darf ich reinkommen?“, bat er mit einem unsicheren Lächeln. „Es ist wirklich ziemlich kalt heute.“
Wenn ich ehrlich war, dachte ich kurz darüber nach, NEIN zu sagen, trat dann aber doch zur Seite und signalisierte ihm, dass er eintreten durfte. Wir standen uns im Flur gegenüber und keiner sagte etwas. Ich hatte ihm nichts zu erzählen, daher schwieg ich ihn weiter an.
„ Ich denke, wir müssen uns mal unterhalten.“
Sein Blick war sanft, aber eingeschüchtert. Seine Mimik strahlte etwas aus, was sich nicht deuten ließ.
Ich seufzte, verdrehte die Augen und blieb mit verschränkten Armen vor ihm stehen.
„ Ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber ich konnte heute Nacht kein Auge zu machen.“
Fragend sah er mich an. Er wartete offenbar auf irgendeine Reaktion meinerseits.
Ich gab mir einen Ruck.
„ Ich schlaf zwar schon seit zwei Tagen echt beschissen, aber ich kann dich beruhigen, das hat weniger was mit dir zu tun, als mit den Träumen, die mich stressen“, erwiderte ich barsch.
Seine Haltung veränderte sich. Er schaute mich argwöhnisch an.
„ Welche Träume?“
„ Nichts, was mit dir zu tun hätte“, blaffte ich.
„ Das mag ja sein, aber sag doch mal.“
Er musterte mich eindringlich, so als könne er die Antwort in meinem Gesicht lesen.
„ Was willst du hören? Dass ich schlecht schlafe, weil wir uns streiten und du mich permanent nervst?“
Ich spürte wieder Wut in mir aufsteigen.
„ Nein, ich wüsste nicht, was das mit dunklen Gestalten, seltsamen Masken und leuchtenden Augen zu tun hat!“, giftete ich ihn weiter an.
Er nuschelte irgendetwas in den Kragen seiner Jacke, was ich nicht verstehen konnte.
„ Was genau meinst du mit leuchtenden Augen?“, fragte er dann.
Er kam schon wieder vom Thema ab.
„ Bist du jetzt hierhergekommen, um meine Träume zu analysieren oder wolltest du auch noch etwas Wichtiges mit mir besprechen?“
Mechanisch ging er ein paar Schritte rückwärts und legt seine Hand auf die Türklinke.
„ Nein! Ich komm am besten später noch einmal vorbei.“
Er drehte sich um, öffnete die Tür und ließ mich einfach stehen. Ich stand einen Augenblick wie angewurzelt da. Was würde dieser Kerl sich noch alles rausnehmen? Sprachlos und überrascht schaute ich auf die geschlossene Tür. Ich überlegte einen Moment, dann schlüpfte ich in meine Schuhe, schnappte mir meine Jacke, den Hausschlüssel und eilte ihm
Weitere Kostenlose Bücher