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Maya und der Mammutstein

Maya und der Mammutstein

Titel: Maya und der Mammutstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Allan
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schon so fühlte, wie mußte es dann erst Altem Zauber ergehen, der noch mehr Sommer zählte als sie und sein ganzes Leben mit den Geistern zugebracht hatte?
    Und es war nicht die Gegenwart, sondern genauer gesagt die Zukunft -
    einer bestimmten Person -, über die zu entscheiden sie an diesem schrecklichen Tage zusammengekommen waren. Alte Beere verzog die Nase, als der Wind den nur mehr schwachen Geruch vom Scheiterhaufen her zu ihnen trug. Der Tod der Frau und des Kindes waren grauenvoll gewesen, sicher, doch nun schien es, als sei das Grauen noch nicht vorüber. Alter Zauber wirkte erschreckend besorgt, und sie wußte nicht, warum. Er hatte sich ihr in bezug auf Maya nie rückhaltlos anvertraut, hatte jedoch hier und da Andeutungen fallengelassen.
    Auf irgendeine Weise war das kleine Mädchen wichtig, soviel wußte sie.
    Doch wie wichtig und aus welchem Grunde, das war ihr nicht bekannt.
    Vielleicht wurde das Geheimnis ja nun gelüftet. Sie fächelte sich Luft zu und wartete darauf, daß Alter Zau ber sprechen möge.
    Der alte Schamane sah sich einer der schwersten Entscheidungen seines Lebens gegenüber. Er wußte besser als jeder andere, wie sehr die Zukunft von ihm und dem, was er tat, abhing. Er kannte das Geheimnis. Es war seine Pflicht, es zur Erfüllung zu bringen. Welchen Einfluß würden die füchterlichen Ereignisse des Vortages darauf haben?
    »Glaubst du, daß Haut seinen Entschluß unwiderruflich getroffen hat?
    Daß man ihn nicht umstimmen kann?« fragte er.
    Beere dachte nach. Schließlich nickte sie widerwillig. »Du könntest ihm befehlen, das Mädchen zu behalten - wenn die Geister es verlangten, würde er gehorchen. Doch ich bezweifle, daß er seine Gefühle ihr gegenüber ändern würde. Er hat Angst, Zauber. Er glaubt, daß sie das Zeichen eines bösen Geistes trägt. Diese Augen. Und sie hat den Tod ihrer beiden Mütter und ihrer Schwester bewirkt. Sie bringt Unglück.« Sie seufzte. »Er ist mein Sohn, Zauber. Aber er ist nur ein Mann.«
    Zauber mußte schwach lächeln. In seinem Alter war er darüber hinaus, sich ständig als Mann beweisen zu müssen, und so erheiterte es ihn, wie Beere über sein Geschlecht sprach - insbesondere, da er und sie sich in längst vergangenen Zeiten auch zusammen unter ein paar Decken gewälzt hatten.
    Dennoch verstand er, was sie sagen wollte. Männer beschäftigten sich weniger mit dem Tun der Geister. Für sie waren die Unsichtbaren, die das Leben des Volkes überschatteten, nur dann von Bedeutun g, wenn sie mit der Männerwelt in direkte Berührung kamen - beim Jagen, Kämpfen, Überleben. Weiterreichende Gedanken wie die Bedeutung der Geister für die Zukunft des Volkes überließen sie Schamanen wie Zauber selbst oder, auf Seiten der Frauen, Alter Beere.
    Für einen Mann waren die Dinge entweder gut oder böse. Dazwischen gab es nichts. Ein böser Geist ließ sich an seinen Taten erkennen -
    Männern gefiel diese Vorstellung. Der Gedanke, daß ein Geist sowohl gut als auch böse sein könnte, erfüllte sie mit Unbehagen, denn das würde bedeuten, daß man nichts vorhersagen könnte. Sie beschäftigten sich mit dem. Offensichtlichen und überließen das übrige denen, die in diel tieferen Geheimnisse eingeweiht waren.
    Ich kenne ein tieferes Geheimnis, fuhr es Altem Zauber plötzlich durch den Kopf. Ich wünschte, dem wäre nicht so. Aber ich kenne ein solches Geheimnis. Soll ich es Beere erzählen?
    Mit jeder Umdrehung des Mondes wurde Zaubers Körper schwächer. Er wußte nur allzugut, daß er, hätte das Volk nicht das Grüne Tal entdeckt, schon längst zur Großen Mutter heimgekehrt wäre. Er hätte die Härten und Unbilden der Wanderung nicht mehr lange überleben können. Doch es schien alles zusammenzugehören: Das Tal, Maya, das Geheimnis. Die Ereignisse hatten sich gegen ihn verschworen, hatten ihn in die Falle laufen lassen und diese entsetzliche Pflicht auf seine Schultern gebürdet.
    Was wäre, wenn er in dieser Nacht ein schliefe und am nächsten Morgen nicht mehr erwachte? Was wäre dann?
    Das Geheimnis würde mit ihm sterben. Nicht die innere Kraft des Geheimnisses, die natürlich nicht, denn sie kam von der Großen Mutter selbst. Doch Altem Zauber war im Verlauf seines langen Lebens aufgefallen, daß der Wille der Mutter und ihrer Geister nur durch die Taten der Männer und Frauen, die Sie verehrten, verwirklicht wurde. Sie würde helfen, doch das Volk mußte sich auch selbst helfen. Hin und wieder mochte die Große Mutter einschreiten -

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