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Maya und der Mammutstein

Maya und der Mammutstein

Titel: Maya und der Mammutstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Allan
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Schultern war von Blüte fast nichts mehr übrig. Die zerschmetterten Knochen ihres Schädels stachen wie schüchterne, unscheinbare Blumen aus der in Stücke .gerissenen Fleisch-und Haarmasse, die einmal ihr Kopf gewesen war.
    Seltsamerweise war Knospes kleiner Körper im Laufe des Massakers irgendwie zu ihrer Mutter geschleudert worden und lag nun über Knospes rechtem Arm, so daß die Mutter ihr Kind in einer letzten Umarmung wiegte.
    Welch gräßliche Umarmung!
    Blutgestank legte sich über die Lichtung. Die Frauen hatten bereits eine Trauerklage angestimmt. Alte Beere hinkte vorwärts, ihr Antlitz aschfahl vor Kummer.
    Haut wandte sich um. »Mutter, was ist hier vor sich gegangen?«
    Sie sagte es ihm. Als sie ihre Schilderung beendet hatte, wurde Hauts Gesicht genauso fahl, genauso starr wie das der Tochter zu seinen Füßen.
    »Maya. Es ist ihre Schuld. Sie hat Knospe hierhergebracht.« Er sprach tonlos, und in seiner Stimme schwang nicht die leiseste Regung, nicht die geringste Emotion mit.
    Alte Beere nickte.
    Haut sagte nichts weiter. Er kniete sich hin und streichelte sachte Knospes Wange, berührte dann mit zitternden Fingern Blutes Schulter. Tränen strömten ihm über die Wangen. Er wirkte gebrochen, niedergedrückt von der Last der Qual, und Alte Beeres Herz quoll über vor Mitleid. Seine erste Frau im Kindbett gestorben, und nun dies.
    Das Leben des Volkes war immer hart gewesen, doch dieses Grauen schien alles zu übertreffen. Worin hatte das Volk gefehlt, um diese Strafe zu verdienen? Wodurch hatten sie die Geister beleidigt? Was konnten sie tun, um sie wieder zu versöhnen?
    Diese Gedanken fuhren ihr wirr durch den Kopf, als sie ein neues Geräusch ablenkte. Einige Frauen riefen etwas und deuteten in eine bestimmte Richtung. Ihre Blicke folgten ihren ausgestreckten Armen.
    Maya stolperte schwankend aus dem Unterholz, und überquerte auf unsicheren Beinen die Lichtung. Einer ihrer Arme war blutverkrustet und an ihrem Hinterkopf war eine große Beule zu sehen. In ihren seltsamen Augen lag eine Wildheit, die den Betrachter frösteln ließ.
    Maya klagte laut und schrill, während sie vorwärtsstolperte. Und ihr Klagen verstummte nicht, als sie auf Knospes Körper zusammenbrach, als sie ihre mageren Ärmchen um Blutes stille Brust schlang.
    Ihr Klagen sollte einen ganzen Tag lang nicht aufhören. Haut sah ohne Gefühlsregung auf sie hinab. Dann wandte er sich an Alte Beere. »Ich will sie nicht mehr. Sie ist nicht meine Tochter. Ich will sie nicht.« Alte Beere nickte. Sie verstand.
    Ein kühler Wind pfiff durch die Ritzen und Risse ins Zelt. Die Zeltklappe war halb geöffnet; Maya kuschelte sich in einen Stapel Felle und starrte auf den Nebel, der die Herdstellen draußen einhüllte. Sie hustete einmal, ein leises, abgehacktes Geräusch, das ihre Kehle mit blutigem Schleim füllte; die zarten Häutchen dort waren gereizt und wund, weil sie einen Tang lang geschluchzt und wehgeklagt hatte.
    Sie zitterte. Nie in ihrem Leben hatte sie sich einsamer gefühlt. Haut hatte überhaupt nicht mit ihr geredet. Als sie in sein wie versteinertes Gesicht geblickt hatte, war es gewesen, als sei sie gar nicht da. Er hatte sie angeschaut, sie aber nicht gesehen.
    Was hatte sie getan? Die schrecklichen Ereignisse des vergangenen Tages verblaßten in ihren Gedanken, wurden wie der feuchte graue Nebel, der draußen wallte. Leise und gedämpft wie sie waren, klangen die Todesklagen der Frauen wie das unheilverkündende Heulen des Windes.
    Niemand außer ihr war in dem Zelt zurückgeblieben; niemand hatte mit ihr gesprochen. Selbst Stein, ihr anderer Vater, hatte kein einziges Wort an sie gerichtet. Beim ersten Tageslicht waren alle einfach gegangen. Sie hatten sich auf den Weg zu jenem Ort am Ersten See gemacht, wo Geist und Alter Zauber Blüte und Knospe zur Großen Mutter heimsingen würden. Soviel begriff sie; der Rest war schmerzhafte Leere.
    Knospe!
    Wenn ich dich nur weiter hätte festhalten können, sagte sie sich. Sie schlang die dünnen Ärmchen um ihren Oberkörper und wiegte sich vor und zurück.
    Wenn ich nur weiter hätte festhalten können... Wenn ich nur. .. Wenn...
    Mit grausamer Klarheit überfiel sie dann eine plötzliche Erkenntnis: Sie hatte Knospe aber nicht festgehalten. Sie hatte sie von der Sicherheit der Gruppe fortgelockt, und sie hatte sie nicht festgehalten.
    Ich habe sie getötet!
    Angeekelt von dieser neuen Erkenntnis, beugte sie den Kopf vor. Ein leiser, erstickter Laut drang über ihre

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