Mayabrut (German Edition)
letzter Blick – fertig oder doch noch nicht ganz. Der Wächter hinter der Brücke musste ja auch noch weg. Aber auch für diesen Vorgang konnte sie sich Zeit lassen, denn Manuel kontrollierte ja mit seinen Männern die Zufahrt zur Mine. Ihre Augen wanderten zurück zu ihrem Opfer und saugten sich an dem erschlafften Körper fest. Erinnerungen erwachten …
Die frostglitzernden Bauten der KGB-Schule flackerten in ihr auf. Und da war er wieder, dieser betongraue Keller, in dem sie ihre tödliche Prüfung hatte ablegen müssen. Abermals erblickte sie den vollbärtigen, tschetschenischen Rebellenführer vor sich, spürte das Beben seines Körpers in ihrem Würgegriff. Und erneut erinnerte sie sich, wie er plötzlich erschlaffte und wie sie in diesem Augenblick ins Dunkel fiel.
Auch das schreckliche Erwachen danach waberte wieder in ihr auf. Denn als sie die Augen wieder geöffnet hatte und neben sich den Leichnam erblickte, erlebte sie ihr Coming-out. Dieses Töten hatte etwas in ihr verändert, denn wie bei einer Droge gierte sie nach mehr - sie war ein Junkie - ein Junkie des Todes.
Ein Ruf des gegenüberliegenden Postens schreckte sie auf. Nochmals öffnete sie den Behälter und entfernte das samtene Stangen-Futteral. Ein weiteres Fach kam zum Vorschein. Darin lagerte ein zerlegtes VSS-Scharfschützengewehr.
Schnell baute sie die Waffe zusammen. Sie schätzte ihre Eigenschaften, Kaliber neun Millimeter, zielgenau auf zweihundert Meter und trotz Verwendung eines Schalldämpfers erreichte man mit ihr eine gute Mannstoppwirkung oder, anders ausgedrückt, man tötete sicher.
Am meisten beeindruckte sie aber die Lautlosigkeit dieser Waffe. Dank der Unterschallmunition würde der Mann vielleicht noch ein metallisches Klicken hören, bevor sein Hirn platzte. Ruhig visierte sie den laut pöbelnden Latino hinter der Brücke an.
Im Schatten seines vor Hitze flimmernden Wellblechdaches drückte der Wachmann immer wieder seinen Feldstecher an die Augen, um ihn kurze Zeit später enttäuscht sinken zu lassen.
„Marica“, fluchte er laut vor sich hin. Diese Schwuchtel da drüben gönnte ihm nicht einen einzigen Blick auf diese Gratis-Strip-Show. Dieses geile Stöhnen, das da zu ihm rüber hallte, ließ seine Hormone brodeln. Eine schmerzhafte Erektion zwang ihn, sich gekrümmt aufzurichten. Mit großen Augen starrte er auf das halb verhängte Fenster, unter dessen Jalousie es kurz aufblitzte. Sein „Shit“ verlor sich in der Dunkelheit.
Durch ihr Zielfernrohr beobachtete sie, wie der Getroffene zusammensackte. Gelassen demontierte sie das Gewehr und die Go-Go-Stange, dann verstaute sie alle Teile wieder im Koffer. Ruhig ging sie zur Tür und drückte einen Schalter, worauf sich die rot-weiße Schranke hob. Ohne den am Boden Liegenden weiter zu beachten, verließ sie den Raum.
Lässig stieg sie in den Dodge und schaltete ihr Handy ein. Sie wählte eine lange Nummer. Als am anderen Ende abgenommen wurde, zischte sie wenige Worte:
„Green Mamba has two bites - zero rats.”
„Balschoie spassibo“, antwortete ein Mann und begann zu husten.
Sie schluckte und antwortete traurig: „Poschalsta.“
Dann wählte sie nochmals und wiederholte ihr Sprüchlein. Nun warf sie das Handy auf den Beifahrersitz und drückte das Gaspedal voll durch.
Von einer Anhöhe aus beobachtete Manuel Jackson den Dodge, während er sein Handy ans Ohr presste. Sobald das Gespräch beendet war, riss er es herunter und knetete kurz auf der Tastatur herum. Wieder einmal betätigte er mehrere Tasten gleichzeitig, und während er seine Wahl wiederholte, verfluchte er die Mini-Bauweise seines japanischen Modells, in dem sich seine Finger verhedderten.
Sie waren wohl etwas zu groß, zu dick geraten, wie vieles an ihm. Doch Lara mochte sie so groß, schwarz und fleischig. Sie verglich seine Hände mit Gorillapranken und sie liebte nicht nur diesen animalischen Vergleich, denn in seinem schwarzen, muskulösen Körper sah sie den omnipotenten Silberrücken.
Das Freizeichen riss ihn aus seinen Schwärmereien, und als ein kurzes „Da“ ertönte, rasselte er seine Meldung herunter: „Black Mamba started operation Emerald.”
„Charascho“, kam es hustend zurück.
Nachdenklich schaltete er das Handy ab und verstaute es in der Brusttasche seines Kampfanzuges. Nun aktivierte er sein Head-Set und fauchte ein kurzes Kommando hinein.
Eine mit Gesträuch gesäumte Dschungellichtung begann zu leben. Zwei mit Palmenblättern getarnte Lkws
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