McCreadys Doppelspiel
mitzunehmen.«
»Wer sind Sie eigentlich, Mr. Dillon?« fragte Whittaker.
»Ach, jemand, der diese Inseln und diese Weltgegend kennt. Beinahe so gut wie Sie.«
»Besser«, knurrte Whittaker und ging.
Um vier Uhr traf Sabrina Tennant mit ihrem Kameramann auf dem Flugplatz ein. McCready und Whittaker waren bereits da. Um zehn nach vier senkte sich das Lufttaxi aus Miami herab. Sekunden vor dem Start erklärte McCready:
»Ich schaffe es leider nicht mitzukommen. Ein Anruf im Hotel in letzter Minute. Ein Jammer, aber das Lufttaxi ist bezahlt. Einen Preisnachlaß bekomme ich nicht. Zu spät. Betrachten Sie sich also bitte als meine Gäste. Auf Wiedersehen und viel Glück.«
Während des ganzen Fluges beäugten Whittaker und Sabrina Tennant einander mißtrauisch. Keiner der beiden verriet dem anderen, was er erfahren hatte und wohin er unterwegs war. In Miami nahm das Fernsehteam ein Taxi in die Stadt, Whittaker die letzte Maschine nach Kingston.
McCready war ins Quarter Deck zurückgekehrt. Er holte sein Funktelefon heraus, programmierte es auf einen speziellen Code und machte mehrere Anrufe. Einer davon galt der britischen Hohen Kommission in Kingston, wo er mit einem Kollegen sprach, der zusagte, über seine Kontakte die richtigen Gesprächspartner zu vermitteln. Ein anderer ging an die Zentrale der amerikanischen Rauschgiftbekämpfungsbehörde DEA in Miami, wo er schon seit langem einen Kontaktmann hatte, da der internationale Rauschgifthandel Verbindungen zum internationalen Terrorismus hat. Dann rief er noch den Chef der CIA-Filiale in Miami an. Als er mit diesen Anrufen fertig war, konnte er mit Grund hoffen, daß man seinen neuen Freunden von den Medien in jeder Weise den Weg ebnen werde.
Kurz vor sechs Uhr sank die orangefarbene Scheibe der Sonne den Dry Tortugas im Westen entgegen, und die Dunkelheit kam, wie immer in den Tropen, erstaunlich rasch. Die Dämmerung dauerte nur eine Viertelstunde. Um sechs rief Dr. West aus Nassau an. Desmond Hannah nahm den Anruf im Privatbüro des ehemaligen Gouverneurs entgegen, wo Bannister die abhörsichere Verbindung mit der Hohen Kommission in Nassau installiert hatte.
»Haben Sie die Kugel?« fragte Hannah gespannt. Ohne die Unterstützung durch die Experten mußten seine Ermittlungen ins Stocken geraten. Mehrere Personen waren möglicherweise der Tat verdächtig, aber er hatte keine Augenzeugen, keinen eindeutig Schuldigen, kein Geständnis.
»Keine Kugel«, sagte die ferne Stimme aus Nassau.
»Was?«
»Sie ist glatt durch ihn durchgegangen«, sagte der Gerichtsmediziner. Er hatte seine Arbeit in der Leichenhalle eine halbe Stunde zuvor abgeschlossen und sich sofort zur Hohen Kommission begeben, um Hannah anzurufen.
»Möchten Sie es im medizinischen Jargon hören oder einfach die Fakten?« fragte der Arzt.
»Die Fakten genügen«, sagte Hannah. »Wie hat sich die Sache abgespielt?«
»Es war eine einzige Kugel. Sie trat auf der linken Seite zwischen der zweiten und dritten Rippe ein, durchbohrte Muskeln und Gewebe, durchschlug die obere linke Herzkammer, was den sofortigen Tod herbeiführte, und trat auf der hinteren Seite des Körpers aus. Die angenehme Nachricht: Die Kugel hat keinen Knochen gestreift. Dusel, aber so war es. Wenn Sie das Projektil finden können - es müßte intakt sein, überhaupt nicht verformt.«
»Sie ist auch nicht von irgendeinem Knochen abgeprallt?«
»Nein.«
»Aber das ist doch unmöglich«, protestierte Hannah. »Der Gouverneur stand ja mit dem Rücken zu einer Mauer. Wir haben diese Mauer aufs genaueste abgesucht. Sie ist nicht im geringsten beschädigt, abgesehen von der deutlich sichtbaren Kerbe, die von der anderen Kugel verursacht wurde, die durch den Hemdsärmel ging. Wir haben den Weg entlang der Mauer abgesucht. Den Kies durchgesiebt. Nur eine einzige Kugel, die andere, durch den Aufprall böse zugerichtet.«
»Nun ja, sie kam unbeschädigt heraus«, sagte der Arzt. »Ich spreche von der Kugel, die ihn getötet hat. Irgend jemand muß sie gestohlen haben.«
»Könnte sie so abgebremst worden sein, daß sie zwischen dem Gouverneur und der Mauer auf den Rasen fiel?« fragte Hannah.
»Wie weit war die Mauer vom Rücken des Mannes entfernt?«
»Nicht mehr als fünf Meter«, sagte Hannah.
»Dann meiner Meinung nach nicht«, sagte der Gerichtsmediziner. »Ich bin kein Ballistikexperte, aber ich glaube, daß es sich um eine schwerkalibrige Waffe gehandelt hat, abgefeuert aus einer Position, die mehr als anderthalb Meter
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