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McCreadys Doppelspiel

McCreadys Doppelspiel

Titel: McCreadys Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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kennt er niemanden. Er war auch nie dort.«
    »Könnte er sich irgendwo in den Wäldern verstecken?« fragte Claudia Stuart.
    »Die Gegend ist nicht wie der Harz mit seinen dichten Wäldern. Freies, hügeliges Ackerland, kleine Städte, Dörfer, Weiler, Bauerngehöfte.«
    »Keine Gegend für einen Flüchtling in vorgerückten Jahren, der nicht mehr richtig im Kopf ist«, bemerkte Appleyard.
    »Dann können wir ihn abschreiben«, sagte Claudia Stuart. »Ihn, den Aufmarschplan und Pankratin. Nebbich.«
    »Ja, so sieht die Sache leider aus«, sagte Edwards. Die Volkspolizei wird alles aufbieten, was sie nur hat. Straßensperren an sämtlichen größeren und kleineren Landstraßen. Ohne einen Zufluchtsort werden sie ihn mittags haben, fürchte ich.«
    Das Treffen ging mit dieser düsteren Note zu Ende. Als die Amerikaner fort waren, hielt Edwards an der Tür McCready noch auf.
    »Sam, ich weiß, es ist aussichtslos, aber Sie bleiben noch an dem Fall, ja? Ich habe die Abteilung DDR in Cheltenham ersucht, ihre Abhöraktivitäten zu verstärken und Sie sofort zu verständigen, wenn sie irgend etwas in Erfahrung bringen. Wenn Sie Poltergeist erwischen, und dazu muß es ja unvermeidlich kommen, möchte ich sofort informiert werden. Wir müssen unsere amerikanischen Vettern irgendwie besänftigen, allerdings wie, das weiß Gott allein.«
    Als McCready wieder in seinem Büro war, beschäftigte ihn die Frage, was sich im Kopf eines Mannes abspielt, der einen totalen Nervenzusammenbruch erlebt. Er hatte selbst dieses Phänomen noch nicht beobachtet. In welcher Verfassung war Bruno Morenz jetzt wohl? Wie reagierte er auf seine Situation? Logisch? Verrückt? Er ließ sich mit dem beratenden Psychiater des SIS verbinden, einem hochangesehenen Spezialisten, der respektlos der >Psychoklempner< genannt wurde. Als er Dr. Alan Carr in seiner Praxis in der Wimpole Street erreichte, sagte der Psychiater, er sei zwar den Vormittag über beschäftigt, würde sich aber gerne mit McCready beim Lunch zu einem Beratungsgespräch über den fraglichen Fall treffen. McCready verabredete sich mit ihm für ein Uhr im Montcalm Hotel.
    Pünktlich um zehn Uhr ging Majorin Ludmilla Wanawskaja durch den Haupteingang der SSD-Zentrale in der Normannenstraße und wurde in den vierten Stock geführt, den die Abteilung II, Spionageabwehr, einnahm. Oberst Voß erwartete sie bereits. Er geleitete sie in sein Privatbüro und bot ihr den Stuhl seinem Schreibtisch gegenüber an. Er setzte sich und bestellte Kaffee. Als die Sekretärin den Kaffee gebracht hatte und wieder verschwunden war, fragte er höflich: »Was kann ich für Sie tun, Genossin Major?«
    Er war neugierig, was ihm diesen Besuch an einem mit Terminen überfüllten Tag beschert hatte, aber das Ersuchen um dieses Gespräch war von dem kommandierenden General in der KGB-Zentrale ausgegangen, und Oberst Voß wußte nur zu gut, wer der Herr im Haus der Deutschen Demokratischen Republik war.
    »Sie beschäftigen sich derzeit mit einem Fall in der Gegend von Jena«, sagte Ludmilla Wanawskaja. »Ein westdeutscher Agent, der nach einem Unfall getürmt ist und seinen Wagen zurückgelassen hat. Könnten Sie mir sagen, welche Details sich bisher ergeben haben?«
    Voß lieferte die Details nach, die in dem der Russin bereits bekannten Situationsbericht nicht enthalten waren.
    »Nehmen wir mal an«, sagte die Majorin, als Voß fertig war, »daß dieser Agent, Grauber, gekommen war, um irgend etwas abzuholen oder abzuliefern... Wurde in dem Wagen oder in dem geheimen Hohlraum irgend etwas gefunden, das dafür in Frage kommt?«
    »Nein, nichts. Die aufgefundenen Papiere dienten nur dazu, seine Deckgeschichte zu liefern. Der Hohlraum war leer. Falls er etwas über die Grenze gebracht hatte, war es bereits abgeliefert. Falls er etwas hinausschmuggeln wollte, hatte er es noch nicht abgeholt.«
    »Oder er trug es noch bei sich.«
    »Möglich, ja. Wir werden es erfahren, wenn wir ihn verhören. Darf ich fragen, warum Sie sich für den Fall interessieren?«
    Die Majorin wählte ihre Worte mit Bedacht.
    »Es besteht die Möglichkeit, die schwache Möglichkeit, daß ein Fall, an dem ich arbeite, mit Ihrem zum Teil etwas gemeinsam hat.«
    Otto Voß ließ sich nichts davon anmerken, daß er amüsiert war. Dieser hübsche weibliche Spürhund hatte also den Verdacht, der Westdeutsche könnte in die DDR gekommen sein, um mit einer russischen Nachrichtenquelle, nicht mit einem ostdeutschen Verräter Kontakt aufzunehmen.

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